Stückinfo

Europäische Erstaufführung
Oper in zwei Akten basierend auf einem Roman von Frank Norris
Musik von William Bolcom
Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman

San Francisco, Kalifornien im Jahr 1900: Pioniere und Goldrausch sind bereits Geschichte, der gerade noch wilde Westen wird zum urbanen Möglichkeitsraum für den Mythos American Dream … William Bolcoms Oper über Aufstieg und Fall des Zahnarztes McTeague, deren geradezu Brecht’sche Parabel mit einem Showdown in der gleißenden Hitze des Death Valley ihr Ende nimmt, wurde 1992 an der Lyric Opera of Chicago uraufgeführt und erlebt am Landestheater Linz ihre Europäische Erstaufführung. „Vitale Opern-Praxis, die die Energie des Broadway-Musicals mit den Ambitionen der europäischen Oper verbindet.“ (The New York Times)

Text: Landestheater Linz

Medien

(Produktionsfotos: Patrick Pfeiffer)

Leitungsteam

Regie
Matthias Davids
Musikalische Leitung
Dennis Russell Davies
Bühne
Mathias Fischer-Dieskau
Kostüme
Susanne Hubrich
Dramaturgie
Magdalena Hoisbauer

Darsteller

McTeague
Corby Welch
McTeague
Pedro Velázquez Díaz
Trina Sieppe
Myung Joo Lee
Trina Sieppe
Çiğdem Soyarslan
Marcus Schouler
Seho Chang
Marcus Schouler
Michael Wagner
Maria Miranda Macapa
Karen Robertson
Maria Miranda Macapa
Christa Ratzenböck
Papa Sieppe
Ulf Bunde
Mama Sieppe
Cheryl Lichter
Mama Sieppe
Kathryn Handsacker
Sheriff
Jacques le Roux
Sheriff
Hans-Günther Müller
Lottery Agent / Health Inspector
Nikolai Galkin
New Dentist
Ulf Bunde
New Dentist
Ville Lignell

Presse

Goldrausch mit mehrfacher Todesfolge

Wie schön, dass auch die Inszenierung von Matthias Davids traumhaft gut gelungen ist und beeindruckende Bilder bietet, sei es bei den Wüstenszenen oder dem handwerklich großartigen Trubel des Jahrmarkts und der Hochzeit – besser geht’s nicht. Mathias Fischer-Dieskau hat ein wandelbares, wundervoll stimmungsvolles Bühnenbild gebaut, zusammen mit den Kostümen von Susanne Hubrich ergibt das ein ganz schön schräges Wild-West-Ambiente.

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16. Der Standard, 08.02.2016

Goldrausch mit mehrfacher Todesfolge

Europäische Erstaufführung von William Bolcoms „McTeague – Gier nach Gold“ am Linzer Landestheater

Linz – Dass die Gier nach Gold den Menschen ins Unheil führt, dieses Thema ist im Bereich des Musiktheaters spätestens seit Wagners Ring des Nibelungen weitflächig abgegrast. 1899, nur wenige Jahrzehnte danach, behandelte der US-amerikanische Schriftsteller und Emile-Zola-Fan Frank Norris in seinem Roman McTeague – A Story of San Francisco denselben Problemkreis in einem etwas realistischeren Ambiente: Ein grobschlächtiger Zahnarzt entfremdet sich von Frau und Freund ob des Streits um einen Lotteriegewinn und bringt beide dann letzten Endes um. Erich von Stroheim verfilmte Norris’ Werk 1924 unter dem Titel Greed, und von Stroheims Stummfilm wiederum inspirierte den Komponisten William Bolcom zur Komposition seiner ersten Oper. Womit wir auch schon in Linz wären: Denn hier erlebte McTeague – Gier nach Gold 24 Jahre nach der starbesetzten Uraufführung seine europäische Erstaufführung.

William Bolcom ist in den USA eine prominente Größe im Musikleben: Der 1938 im Bundesstaat Washington geborene Komponist hat neben drei Opern und neun Sinfonien etwa Orchesterliedzyklen für Marilyn Horne und Placido Domingo sowie Solistenkonzerte für Yo Yo Ma und James Galway verfasst. Ausgebildet in den USA als auch in Europa – unter anderem von Darius Milhaud und Olivier Messiaen – hat sich Bolcom im Lauf der Jahrzehnte eine unerhört breite Palette an klanglichen und stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet, die das Beste beinhaltet, was zwei Kontinente und zwei Jahrhunderte Musikgeschichte so zu bieten haben.

Mit flirrenden Klangflächen der hohen Streicher schildert Bolcom anfangs die Gluthitze des Death Valley, in dem sich McTeague vor den Kopfgeldjägern versteckt. In den zweieinhalb Stunden danach kommt einfach alles: drohende mikrotonale Cluster der Bläser, Jahrmarkt-Remmidemmi, Broadway-Sentimentalität und Operndramatik-Liebeswalzer, Rachearien und Ehestreitduette inklusive. Bolcom mischt tausend Stilingredienzien mit versierter Hand, seine komplexe, illustrative, sich chamäleonartig wandelnde Musik folgt dem Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman mit leichtem Schritt wie eine versierte Tänzerin ihrem Tanzpartner.

Wie schön, dass auch die Inszenierung von Matthias Davids traumhaft gut gelungen ist und beeindruckende Bilder bietet, sei es bei den Wüstenszenen oder dem handwerklich großartigen Trubel des Jahrmarkts und der Hochzeit – besser geht’s nicht. Mathias Fischer-Dieskau hat ein wandelbares, wundervoll stimmungsvolles Bühnenbild gebaut, zusammen mit den Kostümen von Susanne Hubrich ergibt das ein ganz schön schräges Wild-West-Ambiente.

Und auch die Sänger sind großartig, allen voran Corby Welch als McTeague mit seinem kräftigen und doch auch weich-goldenem Tenor. Cigdem Soyarslan muss sich als McTeagues Gattin Trina Sieppe von der Klemmschwester zur Sexgöttin zur Zwangsfixierten wandeln, sie schafft das und singt dabei auch noch wunderschön. Bärenstark der Bariton des als angeschlagen angesagten Michael Wagner (als McTeagues Freundfeind Schouler), und Karen Robertson füllt die zwischen Komödie und Irrsinn aufgespannte Figur der Putzfrau Maria Miranda Macapa mit hochdramatischer Intensität und rollenadäquat schepperndem, schneidendem Mezzo.

Im Orchestergraben koordiniert Bolcom-Spezialist Dennis Russell Davies die Sänger, den tollen Chor (Leitung Georg Leopold) und das solide Bruckner-Orchester Linz mit fachmännischem Überblick. Begeisterung und Empfehlung. Wieder einmal zeigt das (noch) von Rainer Mennicken geleitete Linzer Landestheater, dass es auch an einem großen Haus möglich ist, interessante zeitgenössische Oper erstklassig inszeniert auf die Bühne zu bringen.

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Der Standard

Meistereklektiker

Die Story ist gleichermaßen Krimi und Western, die Vorlage der gleichnamige Roman von Frank Norris, dem "amerikanischen Zola", von Erich von Stroheim in den monumentalen Stummfilm "Greed" verwandelt. Es geht um den Goldrausch, um die Gier nach Gold, die Lieben und Leben zerstört. Keiner ist sympathisch, keiner überlebt. In der Linzer Inszenierung von Matthias Davids erlebt man dies auf einer fabelhaft stilisierten Western-Bühne (Mathias Fischer-Dieskau), in wunderbar naturalistischen Kostümen (Susanne Hubrich) und mit Corby Welch in der Titelrolle: ein Mordstrum Mannsbild, ein Heldentenor von wagnerischen Dimensionen. So beeindruckend wie irritierend.

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Meistereklektiker

MCTEAGUE - GIER NACH GOLD
Fabelhaftes Western-Bühnenbild: Es geht um den Goldrausch, um die Gier nach Gold, die Lieben und Leben zerstört. Keiner ist sympathisch, keiner überlebt. (Foto: Patrick Pfeiffer)
Von Egbert Tholl

In den USA ist William Bolcom eine ganz große Nummer des Musikbetriebs. Er komponierte Liedzyklen für Marilyn Horne und Plácido Domingo, Konzerte für Yo Yo Ma und James Galway und drei große Opern, die in Chicago unter von Dirigent Dennis Russell Davies uraufgeführt wurden. Die Premiere der ersten, „Mc Teague“, muss 1992 einem Staatsakt gleichgekommen sein: Hunderte von Kritikern im Publikum, inszeniert von Filmemacher Robert Altman, der am Libretto mitgewirkt hatte.

In Europa ist Bolcom eher Spezialisten bekannt. Weshalb das so ist, kann man in Linz erleben, wo Davies Generalmusikdirektor ist und nun „Mc Teague“ in einer blitzsauberen Produktion herauskam. Bolcom kennt die Musikgeschichte sehr gut – und er kennt keinerlei Arroganz. Er hat bei Milhaud und Messiaen, lernte Boulez und Stockhausen kennen. Und tatsächlich ist die Ouvertüre ein Meisterstück im Stile flirrenden Mikrotonalismus‘. Doch dann geht es munter durch alle Stile und Zeiten, hört man ein astreines Barbershop-Duett, denkt an „My Fair Lady“ und Puccini zur gleichen Zeit: Die Nummern reihen sich hübsch voneinander getrennt und doch durch einen sehr effektsicheren Orchesterapparat miteinander verbunden. Bolcoms Eklektizismus ist für mitteleuropäische Ohren deshalb so ungewohnt, weil er die Diskrepanz ästhetischer Fallhöhen vollkommen negiert. Es fehlte nur noch Popmusik, dann wäre praktisch alles enthalten, was heute tönt, vom Broadway bis (in Spurenelementen) Donaueschingen.

Die Story ist gleichermaßen Krimi und Western, die Vorlage der gleichnamige Roman von Frank Norris, dem „amerikanischen Zola“, von Erich von Stroheim in den monumentalen Stummfilm „Greed“ verwandelt. Es geht um den Goldrausch, um die Gier nach Gold, die Lieben und Leben zerstört. Keiner ist sympathisch, keiner überlebt. In der Linzer Inszenierung von Matthias Davids erlebt man dies auf einer fabelhaft stilisierten Western-Bühne (Mathias Fischer-Dieskau), in wunderbar naturalistischen Kostümen (Susanne Hubrich) und mit Corby Welch in der Titelrolle: ein Mordstrum Mannsbild, ein Heldentenor von wagnerischen Dimensionen. So beeindruckend wie irritierend.

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Süddeutsche Zeitung

Mit dem Lottoschein in die Wüste

Matthias Davids inszeniert einen wahren Opernthriller im elegant die Schauplätze wechselnden Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau. Wenn McTeague in der Wüste schmachtet und auf sein Leben zurückblickt, dann brennt und strahlt eine gewaltige Scheinwerfer-Sonne, die wie ein Kunstwerk von Olafur Eliasson wirkt.

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Wiener Zeitung, 09.02.2016 
Mit dem Lottoschein in die Wüste
Linz beweist Mut! Das Stück kennt hierzulande wirklich niemand, die Vorlage – ein 1899 veröffentlichter Roman von Frank Norris, 1924 verfilmt von Erich von Stroheim – ist vermutlich nur Spezialisten ein Begriff. Und ein Komponist namens William Bolcom ein „William who?“. 1938 wurde er in den USA geboren, studierte unter anderem bei Darius Milhaud und Olivier Messiaen. Als junger Mann interessierte sich Bolcom für die avantgardistischen Klangwelten eines Karlheinz Stockhausen oder Pierre Boulez, doch bald folgte die bei nordamerikanischen Tonsetzern übliche Abkehr von Theorie und Strukturverliebtheit. Die Alternative: eine Hinwendung zum Populäreren sowie zur Stilmixtur.
Tänzerische Musik
„McTeague“ wurde 1992 in Chicago (Regie: Robert Altman) unter der Leitung von Dennis Russell Davies uraufgeführt, der jetzt am Pult des Bruckner Orchesters stand. Ganz ausgezeichnet wird die Partitur zum Leben erweckt, grandios (trotz mehrerer kurzfristiger Umbesetzungen) ist das Ensemble. Die Titelpartie singt Corby Welch mit glänzenden Schmelz- und Schmerztönen, Michael Wagner brilliert als sein anfänglicher Freund und baldiger Widersacher Schouler. Dessen Mitverschwörerin gibt Karen Robertson mit klarer Diktion und zwielichtig bösem Spiel, während Çigdem Soyarslan McTeagues große Liebe wunderbar emphatisch und erotisch knisternd darstellt, indes an leichtem vokalem Überdruck leidet.
Zwei Paare und viele, heftige Emotionen gibt es also. Aber was hat das Ganze nun mit der Gier nach Gold zu tun? Gar nicht so kompliziert: McTeague ist anno 1900 in San Francisco ein Zahnarzt, der sein Handwerk eher learning by doing erlernt hat, ein Diplom besitzt er nicht. Deswegen verliert er bald seine Praxis.
McTeague verliebt sich in die Quasi-Verlobte Schoulers, und das ist erstaunlicherweise nicht weiter schlimm, weil Letzterer es schlicht hinnimmt. Bald wird geheiratet, und am Höhepunkt des Fests schneit ein Lotterievertreter herein: Die Braut hat 5000 Golddollar gewonnen! Das bringt Schouler und seine neue, verschlagene Begleitung auf die Palme, ein Karussell des Abgrunds dreht sich, bis – nach einem filmreifen Showdown der Männer in der Wüste – alle elendiglich dahinsiechen. Es ist wahrlich ein böses Ding, das Gold!
William Bolcom packt die Geschichte in bald zupackend aggressive, bald fein ausgehörte, oft leicht tänzerische Musik. Er besitzt eine klare, prägnante Handschrift, die reichlich aus der Tradition schöpft (nein, Puccinis „La fanciulla del West“ spielt keine Rolle, eher frühe Broadway-Musicals und Ragtime), ohne aber konkret oder banal zu zitieren. Neben dem recht bunten Orchestersatz gibt es schöne Akkordeonklänge, doch auch ruppige Blechschläge und „schmutzige“ Liegetöne.
Matthias Davids inszeniert einen wahren Opernthriller im elegant die Schauplätze wechselnden Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau. Wenn McTeague in der Wüste schmachtet und auf sein Leben zurückblickt, dann brennt und strahlt eine gewaltige Scheinwerfer-Sonne, die wie ein Kunstwerk von Olafur Eliasson wirkt.
Gelegentlich gerät die Personenführung etwas betulich, hier hätte eine Prise Brachialkomik à la Quentin Tarantino gut getan. Ansonsten erlebt man in Linz einen sehr gelungenen Opernabend und entdeckt einen Komponisten, der sich nicht hinter Formeln versteckt, sondern dem es einfach ums Erzählen einer (heftigen) Geschichte geht. So was darf schließlich auch einmal sein

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Wiener Zeitung

Macht und Ohnmacht des Goldes

Matthias Davids hat in fabelhaft wandlungsfähigen Bühnenbildern von Mathias Fischer-Dieskau und ideal harmonierenden Kostümen von Susanne Hubrich das Stück ohne Schnörkel auf die Bühne gestellt, dabei spannende Beziehungen kreiert und sogar Brücken geschaffen, wo das Libretto den Zuhörer in der Luft hängen lässt. (...) Ein überaus gelungener, vom Publikum lang beklatschter Opernabend.

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Oberösterreichische Nachrichten, 08.02.201

Macht und Ohnmacht des Goldes

Gefeierte europäische Erstaufführung von Bolcoms Oper „McTeague“ im Musiktheater

Von Michael Wruss

Am Samstag fand im Musiktheater die schon im Vorfeld viel diskutierte europäische Erstaufführung von William Bolcoms Oper „McTeague“ statt. Ein Werk, das auf dem gleichnamigen, 1899 veröffentlichten Roman von Frank Norris basiert, der damit ein Musterbeispiel der amerikanischen naturalistischen Literatur geschaffen hat.

McTeague ist Sprössling einer armen Bergarbeiterfamilie. Er schafft den Aufstieg, indem er sich als Assistent genügend Wissen und Können von einem fahrenden Dentisten abschaut, um in San Francisco selbst eine Praxis zu eröffnen. Doch das Problem, dass McTeague seinem besten Freund Schouler die Cousine Trina ausspannt und heiratet, beginnt erst, als klar ist, dass sie bei einer Lotterie 5000 Dollar in Gold gewonnen hat und in einer Gesellschaft, die von einem Tag auf den anderen lebt, plötzlich unwahrscheinlich reich ist. Das setzt einen Teufelskreis in Gang – einerseits die Gier nach Gold, andererseits die wachsende Distanz zwischen den beiden ursprünglich Liebenden. Trina ist zwar der Stärke und Größe McTeagues verfallen, hat aber gleichzeitig ungeheure Angst, für ihn etwas von diesem einmaligen Glück zu opfern.

Der unausweichliche Tod

Die glänzenden Münzen werden zu ihren besten Freunden, Trina verliert jegliche Realität und wird zum Opfer ihres eigenen, inzwischen bettelarmen Mannes, der auf Betreiben von Schouler seine Praxis, die er ohne Diplom führte, schließen muss. Auf der Flucht wird er von Schouler im Death Valley gestellt, teilt aber mit ihm das Schicksal des unausweichlichen Todes.

Matthias Davids hat in fabelhaft wandlungsfähigen Bühnenbildern von Mathias Fischer-Dieskau und ideal harmonierenden Kostümen von Susanne Hubrich das Stück ohne Schnörkel auf die Bühne gestellt, dabei spannende Beziehungen kreiert und sogar Brücken geschaffen, wo das Libretto den Zuhörer in der Luft hängen lässt. Viele Kapitel werden als Berichte zusammengefasst – so wird etwa McTeagues Herkunft bloß einmal erwähnt. Aber gerade dort, wo es um das Verständnis von Beziehung und Schuld geht, fehlen die Querverweise, um die dargestellten Folgen eines Handlungsschrittes auch zu begründen.

Davids versucht nicht allzu viel zu interpretieren, denn der moralische Verfall, Neid und Gier sehen heute bloß äußerlich anders aus, sind aber die gleichen Untugenden geblieben, die gleichen Beweggründe für physische und psychische Gewalt. Eine Spirale, der es vor 117 Jahren genauso wenig zu entrinnen möglich war wie heute.

Dennis Russell Davies hat mit dem klangvoll und mitreißend spielenden Bruckner Orchester die Musik seine Freundes William Bolcom präzise umgesetzt und die bisweilen schroff aufeinandertreffenden musikalischen Idiome – von jazzigem Ragtime bis zu atonal ausgeklügelten Sphärenklängen – fein herausgearbeitet. Der perfekte Klang einer in allen Bereichen bühnenwirksamen Musik und eines idealen Fundaments für die Sänger – allen voran Corby Welch, der einen höhensicheren wie schauspielerisch überzeugenden McTeague gibt und plausibel die Rolle des Ausgegrenzten, des Verfolgten, des scheinbar harmlosen „Riesenbabys“ verkörpert.

Nicht minder eindringlich in der Darstellung und gesanglich ebenfalls herausragend ist Çigdem Soyarslan als Trina. Überzeugend auch Michael Wagner als Marcus Schouler, der sich vom kumpelhaften Freund zum beinahe dämonischen Gegenspieler wandelt, sowie Karen Robertson, die perfekt unbedarfte Haushälterin Maria. In kleineren Rollen erwiesen sich William Mason, Kathryn Handsaker, Jacques le Roux, Nikolai Galkin und Ulf Bunde ideal besetzt.

Ein überaus gelungener, vom Publikum lang beklatschter, aber doch nicht bis ins letzte Quäntchen schlüssiger Opernabend – was aber mehr am Libretto als an der Umsetzung liegt. Vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb es bis zur europäischen Erstaufführung 24 Jahre lang gedauert hat.

OÖN-Bewertung: *****

McTeague auf der Bühne und im Film

Der Roman „McTeague: A Story of San Francisco“ wurde 1899 von Frank Norris veröffentlicht. In deutscher Übersetzung (von Paul Böller, Aufbau-Verlag) kam das Buch 1958 erstmals heraus. Frank Castorf inszenierte den Stoff 2004 als Schauspiel-Eröffnungspremiere der Ruhrfestspiele, später wanderte die Produktion an die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (mit Birgit Minichmayr als Trina und Bernhard Schütz als McTeague). Im gleichen Jahr brachte der „Alexander Verlag Berlin“ eine Neuauflage des vergriffenen Romans auf den Markt.

Der für seinen teuren Perfektionismus berüchtigte, in Wien geborene Filmemacher Erich von Stroheim schuf 1924 nach dem gleichen Roman den Stummfilm „Greed“. Das war auch jener Film, der Komponist William Bolcom zum Schreiben der Oper verführte. Uraufführung: 31. Oktober 1992 in Chicago.

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Oberösterreichische Nachrichten

Großer Jubel für die "Zahnarzt-Oper" im Wilden Westen

Matthias Davids inszeniert anfänglich mit hohem Tempo und geschickten Szenenwechseln. Bühne und Kostüme entsprechen den gängigen Westernklischees. Die Figuren sind individuell gezeichnet und machen glaubhafte Entwicklungen durch. (...) Vom Bruckner Orchester Linz werden die farbigen, teils diffizilen, oft überraschenden Klänge engagiert und perfekt musiziert. Großer Jubel!

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Kurier, 08.02.2016

Eine „Zahnarzt-Oper“ im Wilden Westen

Kritik.Landestheater Linz: Europäische Erstaufführung von Bolcoms „McTeague – Gier nach Gold“

von Helmut Christian Mayer

Zuerst eine kurze aber gewaltige Eruption im groß besetzten Schlagwerk. Eine riesige Sonnenscheibe steht gleißend über der Wüste. Death Valley. Die Feldflasche des Titelhelden ist leer. Dann produzieren dissonante Streicherklänge einen atmosphärischen Klangteppich, immer wieder vom Blech bedrohlich unterbrochen: Mit diesem Vorgriff auf das Finale beginnt am Linzer Landestheater verheißungsvoll die Oper „McTeague – Gier nach Gold“ vom US-Komponisten William Bolcom, Jahrgang 1938.

Auf der Drehbühne richten sich die anfangs umgekippten Häuser wie durch Wunderhand auf, werden zu einer bevölkerten Straße in San Francisco. Ein auch später immer wiederkehrender, frecher Ragtime erklingt.

Aber dass dieser starke Eindruck bald verflacht, liegt an der doch seltsam anmutenden, teils skurrilen Story mit Längen im zweiten Teil (Roman von Frank Norris, Libretto: Arnold Weinstein und Robert Altman). Sie handelt vom Aufstieg und Fall des Zahnarztes McTeague um 1900, dessen Frau in der Lotterie 5000 Golddollars gewinnt. Das löst Hass, Neid aus, hat mörderische Folgen und führt zu einem Showdown in der Wüste.

Matthias Davids inszeniert anfänglich mit hohem Tempo und geschickten Szenenwechseln. Bühne und Kostüme entsprechen den gängigen Westernklischees. Die Figuren sind individuell gezeichnet und machen glaubhafte Entwicklungen durch. Nur hängt die Story immer wieder durch.

Die Protagonisten McTeague wird anstelle des erkrankten Stephen Gould von Corby Welch ungemein präsent, expressiv und kraftvoll gesungen. Seine Frau Trina wird von Çiğdem Soyarslan mit nuancenreichem Sopran gestaltet. Michael Wagner singt den ehemaligen Freund Shouler mit dämonischem Organ und Karen Robertson die skurrile Alte Maria Miranda Macapa mit großer Energie.

Komponist Bolcom pflegt die Grenzenlosigkeit: Seine Musik ist polystilistisch, mäßig modern und vereint Ragtime, Blues, Walzer, Musical und serielle Musik.

Dennis Russell Davies, schon 1992 Leiter der Uraufführung in Chicago, steht jetzt auch am Pult der europäischen Erstaufführung. Vom Bruckner Orchester Linz werden die farbigen, teils diffizilen, oft überraschenden Klänge engagiert und perfekt musiziert. Großer Jubel!

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Kurier

Zu schön, um wahr zu sein

Dennis Russell Davies, der schon die Uraufführung von "McTeague" in Chicago dirigiert hatte, führt das Bruckner-Orchester Linz sicher durch die Partitur. Auch szenisch ist die Aufführung, die zahlreiche Wechsel der Schauplätze bewältigen muss, gut gelöst. (...) Hilflos taumelt der vereinsamte McTeague durch die Wüste im "Tal des Todes", um sich an entscheidende Erlebnisse seines verpfuschten Lebens zu erinnern, das ihn schließlich bis zum Mord führt. Und so werden die Häuser des an Westernfilme erinnernden Straßenzuges zusammengeklappt, während das Bühnenbild, entworfen von Mathias Fischer-Dieskau, weiter rotiert, so dass ein wüst-ödes Szenario entstehen kann. Regisseur Matthias Davids macht den Wandel des Protagonisten-Trios glaubhaft, er hat auch die Massenszenen souverän im Griff.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.02.2016

Zu schön, um wahr zu sein

Von der Schnulze über die Arie bis zum Rag: William Bolcoms gesellschaftskritische Oper „McTeague“ wird am Musiktheater Linz als europäische Erstaufführung gezeigt.

LINZ, 7. Februar

Wenn einer so zupackt wie dieser Baum von Mann, dann sollten eigentlich alle Alarmglocken schrillen. Doch Trina ist schlichtweg nur beeindruckt von der Kraft des blonden, wortkargen Hünen McTeague. Das wirkt umso merkwürdiger, weil sich hinter dem harten Griff, mit dem er den Arm der jungen Frau packt, eine etwas unbeholfene Liebeserklärung verbirgt. Viel mehr als körperliche Stärke scheint ihm nicht zur Verfügung zu stehen, immerhin, auch etwas handwerkliches Geschick muss er haben, sonst hätte er als ehemaliger Gehilfe eines Dentisten nicht so lange als vermeintlicher Zahnarzt herumpfuschen können. Das verhilft McTeague zunächst zu bescheidenem Wohlstand. Doch dann kommt das Gold, und alles wird anders.

Wie die Gier nach Reichtum und deren jäher Umschlag in Geiz das Leben der Menschen in einem trostlosen Vorort von San Francisco verändern können, das ist das zentrale Thema des 1899 erstmals erschienen Romans „McTeague“ von Frank Norris. Er spielt in der Zeit des „Gold Rush“ in Kalifornien, der Autor orientiert sich an den naturalistischen Erzähltechniken Émile Zolas. Größere Bekanntheit gewann das Buch später durch Erich von Stroheims Film „Greed“ aus dem Jahr 1923. Und wiederum Jahrzehnte später, 2004, hatte dann auch Frank Castorf bei der Ruhr-Triennale ein Theaterstück aus dem Roman gemacht. Da war aber inzwischen auch schon im Auftrag der Lyric Opera of Chicago eine Oper dazu entstanden, 1992 komponiert von William Bolcom, die jetzt am Wochenende in Linz ihre europäische Erstaufführung erlebte.

Bolcom, 1938 geboren, ging zunächst am Mills College durch die Schule von Darius Milhaud und studierte später in Paris, am Konservatorium, bei Olivier Messiaen. Seine ersten Werke in den sechziger Jahren waren noch stark von seriellen Techniken bestimmt, aber dann wandte sich Bolcom doch wieder der Polystilistik der frühen Werke Milhauds zu. Oper sei „bloß Abendunterhaltung“ hatte er bereits im Vorfeld der Uraufführung erklärt. Sein Statement im Linzer Programmheft ergänzt das Bekenntnis, er wolle vor allem „aus einer weit gefächerten Musik-Skala schöpfen“. Und dies löste Bolcom, dem die Trennlinie zwischen „ernster“ und „leichter“ Musik stets ein Dorn im Auge gewesen war, auch ohne Wenn und Aber ein.

Immer wieder tauchen musicalartige Elemente, Bluegrass-, Blues- und Ragtime-Motive auf, die das mit Keyboard und Schlagzeug verstärkte Orchester in zahlreichen Zwischenspielen variiert. Es ist ein breit angelegtes Pasticcio unterschiedlichster Musikstile zu hören, die handwerklich gekonnt miteinander vereint, doch zugleich auch immer noch dem in den neunziger Jahren, der Hochblüte des sogenannten postmodernen Komponierens, herrschenden Zeitgeschmack geschuldet sind. So weicht etwa die musicalselige Stimmung bei der Hochzeit McTeagues und Trinas plötzlich düsteren Klangflächen, als der Lotterieagent wie ein steinerner Gast an die Türe pocht, um Trina den Gewinn zu bringen, der alles verändern wird. Rasch entspinnt sich ein von drohenden Clusterakkorden begleiteter Streit zwischen dem jungen Ehepaar und Schouler, dem Freund McTeagues, dem er die Freundin ausgespannt hat und der sich jetzt auch noch um den Lotteriegewinn betrogen sieht. Die Szene kulminiert in polytonalen Bläsersequenzen, die wiederum abgelöst werden von einem schnulzigen Lovesong Trinas – zu schön, um wahr zu sein.

Kurzum: Die Musik Bolcoms mäandert zwischen den Genres und verspielt damit nicht nur ihre dramaturgische Konsequenz, sondern auch die Wahrhaftigkeit. Selbst wenn der zweite Akt, in dem die Gier nach dem Lotteriegold Ehe, Freundschaft und Leben zerstört, weit geschlossener wirkt als der erste, überzeugt Bolcoms polystilistische Oper nur in einigen Szenen. Das liegt sicher auch daran, dass er keine schlüssige musikalische Chiffre für den in der Romanvorlage auch mental als Außenseiter gezeichneten McTeague findet. Corby Welch folgt mit seinem hellen, metallischen Tenor eher den Gesangslinien eines Strahlemanns als denen eines Sprachbehinderten. Wenig von dem Geiz, mit dem die in der Höhe etwas schrille Trina von Çigdem Soyarslan ihren Lotterieschatz hütet, vermittelt sich in dieser weichgezeichneten Sopranpartie. Am ehesten noch wird in der Rolle von Schouler, den Michael Wagner, kurzfristig eingesprungen, mit klar fokussiertem Bariton singt, ein wenig von dem Hass und der Begierde spürbar, deren zerstörende Kraft die Romanvorlage beherrscht.

Dennis Russell Davies, der schon die Uraufführung von „McTeague“ in Chicago dirigiert hatte, führt das Bruckner-Orchester Linz sicher durch die Partitur. Auch szenisch ist die Aufführung, die zahlreiche Wechsel der Schauplätze bewältigen muss, gut gelöst. Sie folgt der Dramaturgie, wie sie Filmregisseur Robert Altman entwarf, als einer Strategie der Rückblenden: Hilflos taumelt der vereinsamte McTeague durch die Wüste im „Tal des Todes“, um sich an entscheidende Erlebnisse seines verpfuschten Lebens zu erinnern, das ihn schließlich bis zum Mord führt. Und so werden die Häuser des an Westernfilme erinnernden Straßenzuges zusammengeklappt, während das Bühnenbild, entworfen von Mathias Fischer-Dieskau, weiter rotiert, so dass ein wüst-ödes Szenario entstehen kann. Regisseur Matthias Davids macht den Wandel des Protagonisten-Trios glaubhaft, er hat auch die Massenszenen souverän im Griff. Und doch gibt es einen ernsten Einwand: Angesichts der vielen, auch musikalisch wirklich spannenden zeitgenössischen Opern, die ihrer Zweitaufführung harren, ist dies vergebene Liebesmühe und eine Übung am falschen Objekt.

REINHARD KAGER

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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Hier klingelt das Gold im Glockenspiel

Jedenfalls greifen Handlung, Musik und Inszenierung einander effektiv unter die Arme, wobei dem Bühnenbild Mathias Fischer-Dieskaus die Krone gebührt. Da wird auf der Drehbühne immer wieder ein potemkinsches Westernstädtchen nach dem Zugbrückenprinzip hochgehievt, hinter dessen größter Fassade McTeagues Praxis liegt. Wenn niedergelassen, klappt sich das Ganze weitgehend zusammen und suggeriert eine Felslandschaft: Das besitzt poetische Kraft in seinem Zusammenwirken aus Naturalismus und Abstraktion. Matthias Davids inszeniert in diesem Rahmen Massenszenen wie intime Momente mit gleichbleibend tadelloser Routine.

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Die Presse, 08.02.2016

Hier klingelt das Gold im Glockenspiel

Musiktheater Linz. William Bolcoms Oper „McTeague“ über die zerstörerische Gier nach Gold ist erstmals in Europa zu sehen: kein Geniestreich, aber gelungen – ohne moralischen Holzhammer.

von Walter Weidringer

Wir ökobewussten Europäer sonnen uns ja längst im Wissen, dass man Geld nicht essen kann. Oder trinken. McTeague jedoch muss es auf die harte Tour lernen. Der minderbemittelt-triebhafte, bärenstarke und zugleich empfindsame zahnärztliche Kurpfuscher ist die Hauptfigur des Romans „McTeague“ (1899), eines dem Naturalismus verpflichteten kalifornischen Zeit- und Sittenbild von Frank Norris. McTeague verliert seine Existenzgrundlage, da ihn sein einstiger Freund Schouler aus Eifersucht und Neid bei der Gesundheitsbehörde verpfeift. Wie einen Fetisch hortet dagegen McTeagues Frau Trina ihren Lotteriegewinn, 5000 Dollar in Gold, an die der Verzweifelte schließlich nur herankommt, indem er sie ermordet. Auf der Flucht spürt ihn Schouler im Death Valley auf; im Kampf um das Gold durchlöchert ein Revolverschuss Schoulers Feldflasche. McTeague tötet auch ihn, doch der Sterbende kann sich noch mit Handschellen an ihn ketten. Der ohnehin schon halb verdurstete McTeague wird nun, an eine Leiche gefesselt, im Niemandsland verschmachten.

1992 in Chicago uraufgeführt

Schon 1924 hat Erich von Stroheim den Roman in extremer Ausführlichkeit und an Originalschauplätzen als Stummfilm inszeniert: „Greed“ soll ursprünglich acht oder neun Stunden gedauert haben, wurde aber vom Studio wegen besserer Vermarktbarkeit für das Kino radikal gekürzt: ein eigener Fall von Gier, dem etwa drei Viertel des Materials unwiederbringlich zum Opfer fielen. Bei der 1992 in Chicago uraufgeführten Opernversion des Stoffes meinten es der 1938 in Seattle geborene Komponist William Bolcom und seine Librettisten, Arnold Weinstein und kein Geringerer als Robert Altman, der damals auch Regie führte, besser mit dem Publikum: Die Handlung ist auf zwei Akte und zweieinhalb Stunden mit Pause komprimiert. Davon, dass das völlig ausreicht, kann man sich nun in Linz überzeugen: Dennis Russell Davies, der „McTeague“ an der Lyric Opera mit Ben Heppner und Catherine Malfitano aus der Taufe gehoben hatte und von jeher als beherzter Anwalt amerikanischer zeitgenössischer Musik gelten darf, holte das Stück als europäische Erstaufführung ins Musiktheater am Volksgarten und erzielte mit einem guten Ensemble und am Pult des stilistisch und klanglich wandlungsfähigen Bruckner-Orchesters einen freundlich beklatschten Erfolg – mit dem Komponisten im Zentrum.

Jedenfalls greifen Handlung, Musik und Inszenierung einander effektiv unter die Arme, wobei dem Bühnenbild Mathias Fischer-Dieskaus die Krone gebührt. Da wird auf der Drehbühne immer wieder ein potemkinsches Westernstädtchen nach dem Zugbrückenprinzip hochgehievt, hinter dessen größter Fassade McTeagues Praxis liegt. Wenn niedergelassen, klappt sich das Ganze weitgehend zusammen und suggeriert eine Felslandschaft: Das besitzt poetische Kraft in seinem Zusammenwirken aus Naturalismus und Abstraktion. Matthias Davids inszeniert in diesem Rahmen Massenszenen wie intime Momente mit gleichbleibend tadelloser Routine. Die Dramaturgie wirkt mehrfach filmisch. So deutet schon der Anfang des Stücks mit einer Vorblende auf das ausweglose Ende hin: Nach einem Fortissimoschlag des Orchesters sehen wir McTeague in der Wüste. Corby Welch wirkt in der heldentenoral fordernden Titelpartie fast zu sympathisch-naiv, beeindruckt aber trotz manch hochgezogener Töne mit Ausdauer, Expression – und geballten Fäusten. Zu einer leisen, aber undurchdringlichen Klangfläche der Streicher schwitzt er gleich zu Beginn unter der riesigen Sonnenscheibe, die wie eine Brutlampe auf ihn herabheizt: In einem frei schwebenden Arioso erblickt er allerdings auch in ihr sofort „a big ball of gold“ – ähnlich wie der monströse Goldzahn, der vor seiner Praxis baumelt, einem Nugget gleicht.

Es klingelt und glitzert

Ja, das Gold! Klischeehaft klingelt und glitzert es stets in Glockenspiel und Celesta, wenn von ihm die Rede ist – und auch MacTeagues Kanarienvogel, ein Leitmotiv des Romans, darf in der Oper mehrfach zwitschern. Die Partitur huldigt einem frisch-fröhlichen Eklektizismus. Auf Schritt und Tritt lassen sich dramaturgische oder konkrete musikalische Vorbilder von Berg über Gershwin bis Britten identifizieren, und nicht immer schneidet Bolcom im Vergleich gut ab – auch wenn er die geschätzten Versatzstücke geschickt arrangiert.

Bei wohlwollender Betrachtung mag das Werk auch den Einwanderer-Schmelztiegel des im Goldrausch groß gewordenen San Francisco abbilden. Das zeigt sich nicht nur in Stilelementen wie Ragtime oder musikalischen Parodien (Trinas deutschstämmige Familie ist grotesk marschbegeistert), sondern auch in zahllosen Anleihen bis hin zu musicalartigen Nummern wie dem Song der heruntergekommenen Trina, die sich ihre „Golden Babies“ unters Nachthemd stopft. Cigdem Soyarslan, von ihren Anfängen in der Wiener Kammeroper bekannt, gelingt der Wandel vom adretten Töchterchen zur krankhaft geizigen Frau trotz etwas verunklarendem Vibrato nicht übel. Einspringer Michael Wagner verkörpert einen kernigen Schouler, Karen Robertson liefert eine gelungen schräge Charakterstudie als Macapa.

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Die Presse

"Gold macht taub, Liebe blind ..."

Die Story wurzelt in einem naturalistischen Roman von Frank Norris, der auch als Vorlage für einen Stummfilm diente. Diese literarisch-filmische Vergangenheit wirkt deutlich sowohl in das von Filmregisseur Robert Altman mitverfasste Libretto als auch in die aktuelle Linzer Inszenierung (effiziente Regie: Matthias Davids) hinein. (...) Mathias Fischer-Dieskau entwickelte eine grenzgeniale Bühnenidee für den „schnellen Schnitt“ im changierenden Licht einer symbolhaft mehrdeutigen „Sonne“. Susanne Hubrichs Kostüme unterstreichen die spannend-bedrückende Atmosphäre. Das Premierenpublikum spendete reichlich anerkennenden Applaus.

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Neues Volksblatt, 08.02.2016

„Gold macht taub, Liebe blind …“

Europäische Erstaufführung: US-Westernoper „McTeague“ im Linzer Musiktheater

Von Paul Stepanek

„Gold macht taub, Liebe blind …“. Unter diesem sprichwörtlichen Motto schien die außergewöhnliche Premiere am Samstagabend im Linzer Musiktheater zu stehen: Die Oper „McTeague — Gier nach Gold“ des US-Komponisten William Bolcom (77) erlebte ihre europäische Erstaufführung. Sie erzählt vom hünenhaften McTeague, der Ende des 19. Jahrhunderts in San Francisco erfolgreich eine Dentistenpraxis führt und sehenden Auges in ein böses Schicksal verstrickt wird.

Die Story wurzelt in einem naturalistischen Roman von Frank Norris, der auch als Vorlage für einen Stummfilm diente. Diese literarisch-filmische Vergangenheit wirkt deutlich sowohl in das von Filmregisseur Robert Altman mitverfasste Libretto als auch in die aktuelle Linzer Inszenierung (effiziente Regie: Matthias Davids) hinein.

Schnelle Schnitte und Rückblenden wie im Film

Der speziell im ersten Teil blockhaft–unfertig wirkende Handlungsablauf erinnert stark an Elemente des Films: Schnelle Schnitte und Rückblenden sorgen zunächst für Verwirrung, erhellen aber die facettenreiche Parabel von der verderblichen Gier nach Gold vom spannenden Beginn an zunehmend.

Diese Facetten der Gier und ihrer schicksalhaften Folgen verkörpern vier Protagonisten, die in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit monomane bis schizoide Züge entwickeln und einem grausig-grotesken Ende entgegen taumeln.

Die Musik Bolcoms versucht, Elemente der Oper und des Broadway-Musicals zu vereinen; manchmal wirkt sie bloß als handlungsverstärkende Filmmusik, oft aber auch als opernhaftes Element, zwischen grellem Expressionismus und zarter Melodie pendelnd.

Das Bruckner Orchester unter seinem mit dem Werk vertrauten Chef Dennis Russell Davies, der schon 1992 die Uraufführung von „McTeague“ dirigiert hatte, diente bravourös dem kontrastreichen Charakter der Musik, keineswegs einer eintönigen „Mitte“ verhaftet.

US-Tenor Corby Welch überzeugte als Typ des naiven Riesen, die enormen Schwierigkeiten der Partie meisternd. Ihm aber zumindest ebenbürtig die Sopranistin Cigdem Soyarslan als verbiestert-geizige Trina, Bassist Michael Wagner als querulanter „ewiger Verlierer“ Schouler und Mezzosopran Karen Robertson als fantasierende Maria Miranda Macapa.

Sechs Nebenrollen wurden von Will Mason, Kathryn Handsaker, Jacques le Roux, Nikolai Galkin, Ulf Bunde und Lorenz Kothbauer solide mit Leben erfüllt. Mathias Fischer-Dieskau entwickelte eine grenzgeniale Bühnenidee für den „schnellen Schnitt“ im changierenden Licht einer symbolhaft mehrdeutigen „Sonne“. Susanne Hubrichs Kostüme unterstreichen die spannend-bedrückende Atmosphäre. Wie immer szenisch und stimmlich ausgezeichnet: der Chor, von Georg Leopold einstudiert.

Das Premierenpublikum spendete reichlich anerkennenden Applaus.

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Neues Volksblatt

Linz überzeugt mit einer Western-Oper

Das als „Zahnarzt-“ und „Western-Oper“ beworbene Werk „McTeague – Gier nach Gold“ des US-amerikanischen Komponisten William Bolcom überzeugte in seiner musikalischen und szenischen Interpretation. Der am Samstag bei der Premiere anwesende 78-jährige Komponist freute sich sichtlich über die Zustimmung des Publikums, das sich applausfreudig gegenüber den Ausführenden auf der Bühne und im Orchestergraben zeigte.

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Salzburger Nachrichten, 08.02.2016

Linz überzeugt mit einer Western-Oper

Das Musiktheater wagt sich an eine Rarität aus den USA.

Linz. Eine Opernrarität aus den USA hat 24 Jahre nach ihrer Uraufführung in Chicago nun am Linzer Musiktheater ihre europäische Erstaufführung erlebt. Das als „Zahnarzt-“ und „Western-Oper“ beworbene Werk „McTeague – Gier nach Gold“ des US-amerikanischen Komponisten William Bolcom überzeugte in seiner musikalischen und szenischen Interpretation.

„McTeague“ hat nach der Uraufführung 1992 nur eine Inszenierung in den USA erlebt – ein internationaler Durchbruch sieht anders aus. Dabei gibt die Geschichte durchaus etwas her, auch musikalisch. Die Oper spielt in San Francisco, um 1900, nach dem Goldrausch. Doch die Gier der Menschen nach dem Edelmetall ist ungebrochen. Der Titelheld Mac, ein etwas grobschlächtiger, einfältiger Mann, betreibt eine florierende Zahnarztpraxis – bloß: Er hat keinen Befähigungsnachweis, weil er den Job einst von einem Kurpfuscher gelernt hat. Als seine Frau einen Lottogewinn in Goldstücken erhält, geht es mit ihm abwärts – nach dem Motto: Reichtum macht nicht immer glücklich.

Der am Samstag bei der Premiere anwesende 78-jährige Komponist freute sich sichtlich über die Zustimmung des Publikums, das sich applausfreudig gegenüber den Ausführenden auf der Bühne und im Orchestergraben zeigte.

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Salzburger Nachrichten

Klangdichte Raffinessen

Regisseur Matthias Davids hat die Story in Mathias Fischer-Dieskaus drehbaren Bühnenvexierbild und mit Kostümen von Susanne Hubrich in klare Bilder gesetzt. (...) Bolcoms Musik schürft tief und ohne epigonal zu sein in der Musikgeschichte zwischen Broadway, Strawinsky oder Wagner und amalgiert dabei eine ganz eigene Klangsprache, die vor klangdichten Raffinessen nur so trieft und das Linzer Bruckner Orchester und den Landestheater-Chor unter Dennis Russell Davies erfolgreich herausfordert. (...) Wohlwollende und breite Zustimmung des Publikums.

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Kronen Zeitung, 08.02.2016

Fieber und Rausch bleiben aus

William Bolcoms zweiaktige Oper „McTeague – Gier nach Gold“ feierte am Samstag im Neuen Linzer Musiktheater als europäische Erstaufführung Premiere. Vor mittlerweile 24 Jahren wurde das Stück an der Lyric Opera of Chicago uraufgeführt – und auch damals stand Dennis Russell Davies am Pult. In Linz erntete die Oper wohlwollende und breite Zustimmung des Premierenpublikums.

Über dem ersten Bild steht eine wie von Ólafur Elíasson geschaffene gleißende Wüstensonne. Der falsche Zahnarzt McTeague ist in einem Flashback in der Wüste seines Daseins angelangt. Seine Praxis hat er aufgrund fehlender Approbation längst verloren, seine Frau Trina um Gold und Leben gebracht. Ausgespannt hat er sie im Narkoserausch seinem ehemaligen Freund Marcus Schouler. Regisseur Matthias Davids hat die Story in Mathias Fischer-Dieskaus drehbaren Bühnenvexierbild und mit Kostümen von Susanne Hubrich in klare Bilder gesetzt.

Dem Titelhelden Corby Welch fehlt es etwas an der stimmlichen Heroen-Dringlichkeit, die Rolle, Auditorium und Orchesterdichten gnadenlos zu beherrschen versteht. Çiğdem Soyarslan rührt als Trina Sieppe vor allem in ihrer Zerrissenheit zwischen Liebe und Gold, das ihr selbstredend näher liegt. Michael Wagner als Schouler und Karen Robertson als Maria Miranda Macapa gehen in ihren Rollen mehr als glaubhaft auf. Sie setzen damit auch die Glanzlichter des Abends.

Bolcoms Musik schürft tief und ohne epigonal zu sein in der Musikgeschichte zwischen Broadway, Stravinsky oder Wagner und amalgiert dabei eine ganz eigene Klangsprache, die vor klangdichten Raffinessen nur so trieft und das Linzer Bruckner Orchester und den Landestheater-Chor (Einstudierung: Georg Leopold) unter Dennis Russell Davies erfolgreich herausfordert.

Fieber oder Rausch bleiben aus, nicht aber die wohlwollende und breite Zustimmung des Publikums.

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Kronen Zeitung

Tiefe Gefühle und Gier nach Gold

Regisseur Matthias Davids hat ideen- und temporeich mit filmschnittartigen Szenenwechseln und Rückblenden inszeniert. Die Häuserkulisse (Mathias Fischer-Dieskau) lässt sich wie durch ein technisches Wunderwerk von der Wüste, wo die Häuser am Boden liegen und über denen immer eine riesige, heiße Sonnenscheibe steht, eindrucksvoll in die Häuserzeile einer Straße von San Francisco wandeln. Die Figuren sind individuell stark gezeichnet und machen alle glaubhafte Entwicklungen durch. (...) Die Protagonisten singen sich beinahe die Seele aus dem Leib. Corby Welch, der für Stephen Gould eingesprungen ist und die schwierige Partie in bewundernswert kurzer Zeit einstudiert hat, singt und spielt den McTeague mit großem Einsatz und beweglichem, höhensicherem Tenor. Çig dem Soyarslan, seine Frau Trina, ist mit leuchtendem Sopran zu hören.

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Furche, 11.02.2016

Tiefe Gefühle und Gier nach Gold

(…) Von der rührseligen Geschichte aus dem Fernen Osten geht die Opernreise ans andere Ende der Welt in den Wilden Westen, wo ein grober, einfältiger Zahnarzt-Autodidakt dem Gold nachjagt. „McTeague – Gier nach Gold“ heißt die Opernrarität von William Bolcom. Der 1938 geborene US-Komponist bedient sich dabei ungeniert im reichen musikalischen Fundus. Seine Musik ist gemäßigt modern und vereint Klänge von Blues, Ragtime, Operette und serieller Musik. Manchmal schimmern auch Musicalklänge durch. Der mit ihm befreundete Dennis Russell Davies, der auch schon 1992 die Uraufführung in Chicago geleitet hat, dirigiert jetzt auch die europäische Erstaufführung am Landestheater Linz. Das Bruckner Orchester kommt mit dem Stilmischmasch an musikalischen Überraschungen ideal zurecht und lässt viele Valeurs und große Exaktheit hören.

Ideen-und temporeiche Inszenierung

Die Protagonisten singen sich beinahe die Seele aus dem Leib. Corby Welch, der für Stephen Gould eingesprungen ist und die schwierige Partie in bewundernswert kurzer Zeit einstudiert hat, singt und spielt den McTeague mit großem Einsatz und beweglichem, höhensicherem Tenor. Çig dem Soyarslan, seine Frau Trina, ist mit leuchtendem Sopran zu hören. Michael Wagner singt seinen Freund und späteren Widersacher Marcus Shouler unheimlich und markig. Karen Robertson ist die komische Putzfrau Maria Miranda Macapa. Auch die vielen kleineren Partien, wie der Hauschor, singen ohne Makel.

Regisseur Matthias Davids hat ideen- und temporeich mit filmschnittartigen Szenenwechseln und Rückblenden inszeniert. Die Häuserkulisse (Mathias Fischer-Dieskau) lässt sich wie durch ein technisches Wunderwerk von der Wüste, wo die Häuser am Boden liegen und über denen immer eine riesige, heiße Sonnenscheibe steht, eindrucksvoll in die Häuserzeile einer Straße von San Francisco wandeln. Die Kostüme (Susanne Hubrich) entsprechen den historischen Westernklischees. Die Figuren sind individuell stark gezeichnet und machen alle glaubhafte Entwicklungen durch.

Dass die Oper letztlich nicht so zündet, der Plot trotzdem immer wieder fühlbare Längen erzeugt, liegt in erster Linie an der seichten, merkwürdigen und nicht immer nachvollziehbaren Story, die auf einem Roman von Frank Norris basiert und deren Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman stammt. Sie handelt vom Aufstieg und Fall des Zahnarztes McTeague um 1900, der in dieser Parabel nach Brechtschem Zuschnitt durch den schicksalshaften Lotteriegewinn seiner Frau einen tiefen, kriminellen Fall erlebt. So wird in diesem kalifornischen Westerndrama bzw. „Zahnarzt-Oper“ über Neid, Missgunst und die ewige Verlockung des Goldes viel gehasst. Das Publikum bejubelte alle, auch den anwesenden Komponisten.

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Die Furche

Termine

06. Februar 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

09. Februar 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

15. Februar 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

26. Februar 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

11. März 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

02. April 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

11. April 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

10. Mai 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

14. Mai 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

02. Juni 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz

09. Juni 2016, 19:30 Uhr
Musiktheater Linz