Stückinfo

Musik und Liedtexte Stephen Sondheim, Buch James Lapine
Deutsch von Michael Kunze

Staatstheater Kassel, Premiere 30. Oktober 2010

Das Szenario: Es gibt ein paar Hütten, einen Turm, ein Schloss, ein Häuschen – Haupthandlungsort aber ist: der Wald. Das Personal setzt sich zusammen aus Familie Aschenputtel, Hans mit Mutter und Kuh, Rotkäppchen mit Oma und Wolf, Hexe mit Rapunzel, zwei Prinzen, Riese und Riesin und dem Bäcker mit seiner Frau. Die Bäckersleute sind aufgrund eines Fluches kinderlos. Den kann nur die Hexe aufheben, die das natürlich nicht umsonst tun will. Sie ist aber nicht die Einzige, die dringliche Wünsche hat. Jeder versucht in der Folge, seine gegenwärtig unglückliche Lebenssituation mit List und Tücke zu verbessern. Nur, wie Rotkäppchens Oma weise bemerkt: »Der reichlichste Lohn liegt oft am Ende des dornigsten Pfades«, und so stehen zahlreiche tragische Verwirrungen, heitere Wendungen, verzwickte Situationen vor einer glücklichen Entwirrung, mit der ein Märchen normalerweise endet.

 

Stephen Sondheim, Jahrgang 1930, erfolgreicher und vielfach ausgezeichneter Komponist des Broadway, gilt als Kultfigur der intelligenten Unterhaltung. Mit INTO THE WOODS schuf er ein Musical, das sowohl humorvoll, dramaturgisch wie musikalisch anspruchsvoll, als auch ironisch und hintersinnig ist. Der Reiz dieses Werkes liegt im Spannungsverhältnis von Symbolen, Extremen und Moral, es lässt Raum für Interpretationen, Fantasien und Projektionen. Es handelt von Sehnsüchten und von der Notwendigkeit, sich mit den Konsequenzen seines Handelns auseinander zu setzen. Sondheims neue Sicht auf alte Märchen wird unterstützt durch seine Musik: Die Montage vieler kleiner Einheiten fügt sich in der Partitur zu einem kraftvollen Ganzen zusammen.

Text: Staatstheater Kassel

Medien

(Produktionsfotos: Nils Klinger)

Leitungsteam

Regie
Matthias Davids
Musikalische Leitung
Alexander Hannemann
Choreografie
Simon Eichenberger
Bühne
Mathias Fischer-Dieskau
Kostüme
Judith Peter

Darsteller

Erzähler/Geheimnisvoller Mann
Erwin Bruhn
Aschenputtel
Lisa Antoni
Hans
Tom Schimon
Rotkäppchen
Marianne Curn
Hexe
Ann Christin Elverum
Bäcker
Detlef Leistenschneider
Bäckersfrau
Mary Harper
Aschenputtels Prinz/Wolf
Serkan Kaya
Rapunzels Prinz/Wolf
Julian Looman
Hans' Mutter
Renate Dasch
Aschenputtels Stiefmutter
Maaike Schuurmans
Rapunzel
Ingrid Fröseth
Florinda
Nayeon Kim
Lucinda
Sabine Roppel
Aschenputtels Mutter/Rotkäppchens Großmutter
Doris Neidig
Aschenputtels Vater
Bernhard Modes
Diener
Shane Dickson

Presse

Nach dem Happy End geht's los

Ein Musical der Extra-Klasse mit viel Witz und Tiefgang (...) Regisseur Matthias Davids („South Pacific“) entwickelt aus diesem verschachtelten Plot im Kasseler Opernhaus ein philosophisch-psychologisch grundiertes Märchen mit viel Witz und Dynamik, Parodie und Genre-Zitaten. Der fein ziselierten Choreografie von Simon Eichenberger gelingen dazu wunderbare Bildtableaus, so wenn im Wald der düsteren Möglichkeiten (Bühne: Mathias Fischer-Dieskau) die bunte Gesellschaft (Kostüme: Judith Peter) ausgelassen zur Musik tanzt. (...) Matthias Davids ermöglicht eine neue Sicht auf alte Figuren und macht das Musical faszinierend vielschichtig. Es erzählt vom dunklen Wald des Unbewussten, von Kindheitsängsten und der Schwierigkeit, das Leben zu meistern.

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HNA, 01.11.2010

In Kassel wurde das Musical „Into the woods – Ab in den Wald“ bei der Premiere mit Jubel aufgenommen.
Ein Musical der Extra-Klasse. Mit viel Witz und Tiefgang.

Nach dem Happy End geht’s los

Kassel. Der Riese da oben raucht. Er wirft seine Zündhölzer, leere Streichholzschachteln und brennende Kippen auch gern mal runter auf die Erde. Da sieht der Wald dann aus wie ein Magritte-Bild, und die Menschlein rennen und irren darin umher auf der Suche nach dem Glück.

Von JULIANE SATTLER

Im Märchen gibt es den Zauberwald, hier zwischen den düsteren Streichholzstämmen ist alles ein Selbstfindungsprogramm geworden.

Unbestritten ist Stephen Sondheim eine Ikone des Musiktheaters Amerikas. Seine Stücke setzen dramaturgisch und musikalisch raffiniert mit anspruchsvollen Songtexten auf den Dialog mit dem intelligenten Zuschauer.

In Kassel hatte sein „Into the woods – Ab in den Wald“ Premiere, ein Musical auf der Grundlage des Buches von James Lapine, das die grimmschen Märchenfiguren mit Bohnenstangen-Hans aus dem englischen Volksmärchen „Jack and the beanstalk“ verbindet und zugleich eine Geschichte vom kinderlosen Bäckerehepaar einflicht.

Regisseur Matthias Davids („South Pacific“) entwickelt aus diesem verschachtelten Plot im Kasseler Opernhaus ein philosophisch-psychologisch grundiertes Märchen mit viel Witz und Dynamik, Parodie und Genre-Zitaten. Der fein ziselierten Choreografie von Simon Eichenberger gelingen dazu wunderbare Bildtableaus, so wenn im Wald der düsteren Möglichkeiten (Bühne: Mathias Fischer-Dieskau) die bunte Gesellschaft (Kostüme: Judith Peter) ausgelassen zur Musik tanzt. Der Fluch des Bäckerehepaars ist gelöst, das Glück ist greifbar. Zufrieden bis ans Ende der Tage – so enden Märchen, doch der Erzähler (Erwin Bruhn) klappt sein Buch nicht zu: „Fortsetzung folgt“.

„Ab in den Wald“ heißt es auch im zweiten Akt, doch der ist böser und grausamer als der heitere erste. Denn im Grau des Alltags entstehen neue Begehrlichkeiten. Aschenputtels geliebter Prinz will mit Dornröschen fremdgehen, Rapunzel leidet an einer Depression. Selbst die Hexe hat das Hexen verlernt. Nichts ist, wie es war, und das Ende ist nicht immer gut. Selbst die Musik spiegelt das jetzt mit Dissonanzen.

Matthias Davids ermöglicht eine neue Sicht auf alte Figuren und macht das Musical faszinierend vielschichtig. Es erzählt vom dunklen Wald des Unbewussten, von Kindheitsängsten und der Schwierigkeit, das Leben zu meistern.

Da rennen dann die zwei Prinzen wie selbstverliebte Narzisse durch den Wald, das Duett der eitlen Herren (Serkan Kaya und Julian Looman) ist ein Höhepunkt der Drei-Stunden-Show. Toll aber auch, wie das kesse Rotkäppchen (Marianne Curn) sich der beiden Verführer-Wölfe erwehrt, sich die hässliche Hexe (Ann Christin Elverum) zum Catwalk-Model wandelt, das sanfte Aschenputtel (Lisa Antoni) sich beim Erbsenzählen selbst Mut zusingt und der redliche Bäcker (Detlef Leistenschneider) sich zum Schluss zum Propheten des Weltfriedens aufschwingt.

In der sensiblen musikalischen Leitung von Alexander Hannemann folgen die Musiker mit Begeisterung den verschlungenen Faden der Partitur, keine Ohrwurm-Musik, aber darum besonders schön. Nach viel Szenenapplaus im ausverkauften Haus dann ein furioser Schlussbeifall und Standing Ovations.

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HNA

Ein rauschender Erfolg

Das ist als Stückidee sehr reizvoll und erzeugt nach dem wuselig-wirbelnden ersten Teil einen nachdenklich stimmenden Kontrapunkt, den Regisseur Matthias Davids unaufdringlich und psychologisch stimmig auf die Bühne gebracht hat. Überhaupt beweist Davids ein gutes Gespür für das passende Spieltempo. Das ist meist – wie die Musik – höllisch schnell. - Die hohen Anforderungen der raffiniert-komplexen Partitur erfüllen die Mitwirkenden unter der präzisen und vorausschauenden Leitung von Alexander Hannemann mit erstaunlicher Perfektion.

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Göttinger Tageblatt, 01.11.2010

Premiere ein rauschender Erfolg 

Broadway-Musical „Into the Woods“ am Staatstheater Kassel

Von MICHAEL SCHÄFER

Märchenhaft schön ist Kassel nicht gerade, aber dem Märchen eng verbunden: Hier haben die Brüder Grimm vor rund 200 Jahren ihre Märchensammlung begonnen. Dies war für das Staatstheater Kassel Anlass, das Broadway-Musical „Into the Woods“ („Ab in den Wald“) von Stephen Sondheim herauszubringen. Am Sonnabend, 30. Oktober, war Premiere – ein rauschender Erfolg mit Standing Ovations.

Keine trauliche Ludwig-Richter-Idylle, sondern einen kahl-nüchternen Streichholz-Wald hat Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau als Kulisse für das wilde Märchen-Potpourri aufgebaut. Die Innenräume sind überdimensionale Streichholzschachteln: Aschenputtels Heim, eine Bäckerei und das ärmliche Zuhause von Hans und seiner Mutter. Das kinderlose Bäckerehepaar hat Sondheim erfunden. Darüber hinaus bevölkern neben Aschenputtel Rotkäppchen und der böse Wolf, die Großmutter, zwei Prinzen, Rapunzel, ein unsichtbares Riesenpaar sowie die zentrale Hexe die Szenerie.

Im ersten Akt läuft alles märchenhaft. Zauberdinge lösen Flüche, Wünsche gehen in Erfüllung, Paare finden sich, Bäckers bekommen ein Kind.Doch Akt zwei zeigt, wie zerbrechlich das Glück sein kann. Aschenputtels Prinz geht fremd, Rapunzel wird hysterisch, und etliche Figuren müssen sterben, weil die Riesen-Witwe Rache für ihren von Hans umgebrachten Mann sucht und sich dabei mit ihren großen Füßen (die man nur hört, nicht sieht) ziemlich trampelig anstellt.

Das ist als Stückidee sehr reizvoll und erzeugt nach dem wuselig-wirbelnden ersten Teil einen nachdenklich stimmenden Kontrapunkt, den Regisseur Matthias Davids unaufdringlich und psychologisch stimmig auf die Bühne gebracht hat. Überhaupt beweist Davids ein gutes Gespür für das passende Spieltempo. Das ist meist – wie die Musik – höllisch schnell.

Doch damit haben die Musiker im Orchester und das personenreiche Ensemble keine Schwierigkeiten. Fast ausschließlich Gäste stehen auf der Bühne, musicalerfahrene Spezialisten. Einzig Ingrid Frøseth als Rapunzel spielt als festes Kasseler Ensemblemitglied eine tragende Rolle – mit viel Charme und wunderschönen Soprantönen von ihrem Turm.

Von den übrigen Rollen seien Lisa Antoni als liebreizendes Aschenputtel und Marianne Curn als hüpfendes, ausgesprochen handfestes Rotkäppchen genannt. Beide stammen aus Wien, das Rotkäppchen stand im Sommer als Pippi Langstrumpf auf der Bühne in Bad Gandersheim und wurde dafür mit dem Roswitharing ausgezeichnet. Die Niederländerin Maaike Schuurmans ist als Aschenputtels Stiefmutter perfekt böse, und auch die beiden schneidig-eleganten Prinzen sind international: Serkan Kaya ist Deutscher mit türkischem Hintergrund, Julian Looman Österreicher mit Wiener Hintergrund. Besonders souverän und stimmlich perfekt glänzt die Norwegerin Ann Christin Elverum in der Rolle der Hexe.

Die hohen Anforderungen der raffiniert-komplexen Partitur erfüllen die Mitwirkenden unter der präzisen und vorausschauenden Leitung von Alexander Hannemann mit erstaunlicher Perfektion. Einzig die Sprachverständlichkeit leidet hier und da unter dem geforderten hohen Tempo, auch wenn sich Michael Kunze in seiner deutschen Textfassung um ein ausgewogenes Wort-Musik-Verhältnis bemüht hat. Das Premierenpublikum feierte das Ensemble mit Bravorufen und minutenlangem Applaus. 

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Göttinger Tageblatt

Wenn Wünsche wahr werden

„Into The Woods – Ab in den Wald“ heißt die euphorisch gefeierte Produktion. Gleich mehrere Märchenfiguren und den Kerngehalt ihrer Abenteuer schickt das Stück auf den Musical-Laufsteg und verschmelzt sie miteinander. Ihre Schicksale sind auf das Zwerchfell freudigste miteinander verknüpft und machen aus der Kasseler Produktion ein richtig peppiges, köstlich witziges und wärmend ausgeleuchtetes Bühnenerlebnis. (...) Märchenkultur, wie man sie erlebnisreicher, bunter, wärmer und witziger kaum auf die Bühne bringen kann. Eine bestens aufgelegte Darstellerriege, die in ihren Rollen aufblühte und vor Witz und Esprit sprühte. Das Bühnenbild: Applaus! So originell, wie märchenhaft und von tiefer suggestiver Ausstrahlung.

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22.11.2010 Kulturmagazin Dezember 2010

Wenn Wünsche wahr werden
Das Musical „Into the Woods – Ab in den Wald“ feierte eine umjubelte Premiere

Steve Kuberzyk-Stein

Wünsche haben eine eigentümliche Dynamik. Kaum erfüllen sie sich, schon platzt der Jubel darüber wie ein ungedeckter Scheck und das Karussell des Begehrens beginnt erneut zu rotieren. Nicht so im Märchen. Da leben sie nach dem Sieg über das Böse glücklich bis an ihr Lebensende – es sei denn…..! Um die Erfüllung von Wünschen in einer märchenhaften Welt dreht sich das aktuelle Musical des Staatstheaters, zumindest im ersten Akt. Märchenhaft muss Intendant Böckelman auch die Publikumsresonanz erschienen sein: „Dass die Besucher in Kassel zwei Minuten nach dem Ende im Stehen applaudieren, kommt in einem Theater nicht oft vor“, freute sich der Chef bei der Danksagung auf der Premierenfeier.

Appell der Grünen

„Into The Woods – Ab in den Wald“ heißt die euphorisch gefeierte Produktion. Klingt wie ein Appell der Grünen, ist aber ein Märchenmusical für das Brodway-Komponist Stephan Sondheim die Musik, Michael Kunze das deutsche Libretto und James Lapine die literarische Vorlage lieferten. Gleich mehrere Märchenfiguren und den Kerngehalt ihrer Abenteuer schickt das Stück auf den Musical-Laufsteg und verschmelzt sie miteinander: Die Brüder Grimm-VIPs „Rotkäppchen, Aschenputtel und Rapunzel“ und dazu noch den nicht übermäßig hellen, aber braven Hans aus dem englischsprachigen Märchen „Jack and the Beanstalk“ (Hans und die Bohnenranke). Bekannt? Es ist jener Hans, der mit seiner Mutter den Blues der Armut hat, zu dem der knurrende Magen den Sound macht. Der einzige Besitz: Eine weiße Kuh, die zugleich auch Hans bester Freund ist .Kleine aber wichtige Anmerkung: besagtem Wiederkäuer gebührt ohne Zweifel ein Sonderapplaus. Einfach tierisch wie Puppenbauer Hagen Tilk dieses Huftier zusammengetrickst hat. Wie aus Marschmellows gegossen scheint der Körper zu sein, der Kopf erinnert an die Motorik eines Wackeldackels und wird „Milchweiss“ über die Bühne gezogen, dann drehen sich die Hufe mit den dort haftenden Rädern. Doch genug von diesem urigen Vierbeiner und den Blick auf die nicht minder urigen Märchenzweibeiner gerichtet. Ihre Schicksale sind auf das Zwerchfell freudigste miteinander verknüpft und machen aus der Kasseler Produktion ein richtig peppiges, köstlich witziges und wärmend ausgeleuchtetes Bühnenerlebnis – zumindest im ersten Akt.

Märchenkultur

Auch der zweite Akt ist von eindringlicher Kraft, doch Licht, Handlung, Musik und Stimmung werden in andere Farben getaucht. In Farben, die sich einstellen, wenn die Habgier dem erfüllten Wunsch folgt, die Untreue anklopft und eingelassen wird und wenn eine ziemlich saure Riesin, die Zigarettenstummel groß wie Baumstämme durch die Gegend schleudert, sich da noch hinzugesellt. Auf die Handlung des ersten Aktes sei hier nur hingedeutet. Viel zu schade die kuriosen und amüsanten Highlights hier schon zu verraten. Nur soviel: Die Mädels bekommen ihre Prinzen, Rotkäppchen und Oma aus dem Bauch des Wolfes wieder frei, die braven Bäckersleute aus dem Märchen Rapunzel ein Kind, nachdem sie der bösen Hexe gebracht haben, was die verlangte und Hans genug zu essen, aber auch eine ganze Menge Ärger. Die Lupe auf die Inszenierung gerichtet und auf den Nenner gebracht: Märchenkultur, wie man sie erlebnisreicher, bunter, wärmer und witziger kaum auf die Bühne bringen kann. Die Zähler: Eine bestens aufgelegte Darstellerriege, die in ihren Rollen aufblühte und vor Witz und Esprit sprühte. Die Musik: Bis auf einige Ausnahmen klotzt dieses Musical nicht mit den typischen Melodien aus der Musical-Schublade, sondern verschmelzt und akzentuiert Stimmungen und Texte, stehtv also ganz im Sinne der Dramaturgie.

Das Bühnenbild: Applaus! So originell, wie märchenhaft und von tiefer suggestiver Ausstrahlung. Überdimensionale Streichholzschachteln als Behausungen, meterhohe Zündhölzer als bewegliche, rotierende Baumelemente, die sich zu einem geheimnisvollen Märchenwald vereinen. Das ganze getaucht in einfühlsam ausgeleuchtete Lichtstimmungen.

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Kulturmagazin

Unvergesslicher Abend im Staatstheater Kassel

Mitreißende Melodien, ein erfrischend respektloser Mix von alten Märchen mit einem Schuss moderner Psychologie, das ist das Rezept für einen unvergesslichen Abend im Staatstheater, an dessen Ende der Wunsch nach der nächsten Vorstellung von „Ab in den Wald“ in der Inszenierung von Matthias Davids steht. Dabei scheinen schon beim ersten Takt des Märchenmusicals von Stephen Sondheim die Zeiten längst vorbei zu sein, in denen das Wünschen noch geholfen hat. Das gilt auch für die Märchenhelden in ihren Zündholzhäuschen (Bühnenbild: Matthias Fischer-Dieskau), die so unwiderstehlich von ihren unerfüllbaren Wünschen singen (...) Heidenspaß mit vielen humorvollen Hintertüren.

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Waldeckische Landeszeitung; 16.11.2010

Alles andere als ein Weihnachtsmärchen

…aber brillant • Unvergesslicher Abend im Staatstheater Kassel mit Steven Sondheims Märchenmusical

Steven Sondheims erfrischendes Märchenmusical „Ab in den Wald“ als Brüder-Grimm-Remix mit bestechenden Einsichten im Staatstheater.

von ARMIN HENNIG

Mitreißende Melodien, ein erfrischend respektloser Mix von alten Märchen mit einem Schuss moderner Psychologie, das ist das Rezept für einen unvergesslichen Abend im Staatstheater, an dessen Ende der Wunsch nach der nächsten Vorstellung von „Ab in den Wald“ in der Inszenierung von Matthias Davids steht. Dabei scheinen schon beim ersten Takt des Märchenmusicals von Stephen Sondheim die Zeiten längst vorbei zu sein, in denen das Wünschen noch geholfen hat. Das gilt auch für die Märchenhelden in ihren Zündholzhäuschen (Bühnenbild: Matthias Fischer-Dieskau), die so unwiderstehlich von ihren unerfüllbaren Wünschen singen, sieht man mal vom Rotkäppchen (Marianne Curn) ab, einem unverschämt verfressenen Gör mit quäkiger Stimme, das gerade im Bäckerladen für den Besuch bei der Großmutter einkauft, ehe es ab in den Wald geht, um dort den Inhalt des Korbes zu verspeisen. Und noch haben der Bäcker und seine Frau nicht die geringste Ahnung, dass sie sich für die Erfüllung des Kinderwunsches ebenfalls dem Wald und seinen Gefahren für die Chance ihres Lebens stellen müssen.

Denn für ein anderes Leben oder ein schöneres Haus oder ein weniger dummes Kind fühlt sich einfach keine gute Fee zuständig. Dafür müssen der Bäcker und seine Frau ihre Mission impossible aus eigener Kraft bestehen, wollen sie den Fluch der Hexe (Ann-Christin Elverum) aus der Nachbarschaft brechen, aus deren Garten der Vater des Bäckers einst jene Zauberbohnen gestohlen hat, die im weiteren Verlauf des Stücks so verheerende Folgen nach sich ziehen werden. Denn mit fünf davon löst die Bäckersfrau Aufgabe Nummer eins und kauft dem einfältigen Hans seine Kuh so weiß wie Schnee ab. Für den roten Umhang befreit der Bäcker (Detlef Leistenschneider) das Rotkäppchen aus dem Bauch des Wolfes. Doch bei der Jagd nach dem goldenen Schuh geht etwas ganz schrecklich schief, mit fatalen Konsequenzen nach dem märchenhaften Ende, da Aschenputtel (Lisa Antoni) die letzte Zauberbohne achtlos wegwirft, während Hans ein letztes Mal seine Bohnenranke hochklettert, um dem ungläubigen Rotkäppchen zu imponieren. Das einzige Paar übrigens, das trotzdem nicht zum heiteren Zwischen-Happy-End zusammenfindet. Denn Rapunzel (Ingrid Fröseth) wird gerettet und auch Aschenputtel bekommt ihren Prinzen, aber Prinzen bleiben Prinzen und träumen im Duett nach vollbrachter Mission von Dornröschen und Schneewittchen oder beglücken im Vorbeigehen schon mal eine verzweifelte Bäckerin (Mary Harper), während die Katastrophe über das Märchenland in Gestalt der Riesin hereinbricht, die den Mörder ihres Mannes fordert. Denn Hans (herrlich strunzdumm: Tom Schimon) hat zwar nach vollbrachtem Raub der Zauberharfe das Exemplar in seinem Garten gekappt und den Riesen damit auf dem Gewissen, doch die von Aschenputtel verschmähte Bohne ist indessen eifrig gekeimt und taugt als Weg zur Rache. Und infolgedessen ergeht es den Angehörigen der Und- wenn-sie-nicht-gestorben-sind- Liga nicht besser als dem Personal eines Katastrophenfilms, die Zahl der Überlebenden sinkt rapide. Auch der Wald ist nicht mehr das Wieland-Wagner-Wunderland des ersten Aktes, sondern besteht aus abgebrannten Welthölzern und den Zigarettenkippen der Riesin, die im Showdown auf Aschenputtel, den Bäcker und sein Baby, das Rotkäppchen und Hans trifft, die der Gefahr mit den Mitteln ihres Märchens begegnen müssen, also mit Pech, einem Schwarm Vögel…

Im Finale kommen die weitergesponnenen Schicksale und die ursprünglichen Märchen wieder zusammen. Und ist die Neugruppierung der bekannten Motive im ersten Akt schon ein Heidenspaß, so bringt vor allem der Beginn des zweiten Aktes immer wieder Szenen auf die Bühne, die man schon als Kind gern gesehen hätte, etwa wenn Prinzessin Aschenputtel von den beiden blinden Schwestern bedient wird. Ihr letzter Satz lautet übrigens: „…und manchmal putz ich ja ganz gerne“.

Niemand kann seiner Rolle entkommen, schon gar nicht im Märchen, das ist die lebenskluge Botschaft des Musicals. Der Ausbruch aus dem Rollenmuster erweist sich für die meisten Märchenhelden als unlösbare Aufgabe. Aufgelöst ist diese Botschaft in einem raffinierten Stilmix, der nicht nur Broadway-Sounds auf höchstem Niveau bietet, sondern auch Anregungen aus der Oper (z.B. Aschenputtels Beschwörung der Vögel als freies Weiterspinnen von Neddas Vogelarie aus Bajazzo) oder der Neuen Musik (Das Grauen im Wald) fruchtbar macht – als zeitgemäßer Ersatz für das für heutige Ohren allzu wagnerisch geratene Weihnachtstraditional.

Für „Hänsel und Gretel“ taugt der ebenso eingängige wie feinsinnige Märchenspaß allerdings nur bedingt. Sondheim und sein Librettist Lapine haben doch etliche Prinzen, die sich treu bleiben und die nächste Prinzessin suchen müssen, im zweiten Akt untergebracht. Trotzdem ein Heidenspaß mit vielen humorvollen Hintertüren.

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Waldeckische Landeszeitung

Glücklich bis ans Ende in Kassel

Gerade „Into the Woods“ kann sehr verwirrend sein und es ist der schlüssigen Inszenierung von Matthias Davids zu danken, dass man doch immer gut folgen kann, auch wenn gerade viele Dinge gleichzeitig geschehen. Die Personen wissen immer wo’s lang geht und viele passende Details erzeugen immer wieder Situationskomik. Die Darsteller, die bis in jede Rolle treffend besetzt sind, zeigen durchgängig eine unglaubliche Energie, die sie vor allem bei den kreativen Choreographien von Simon Eichenberger ausleben. (...) Wunschlos ist der Mensch ja nie, das zeigt die verstrickte Handlung von „Into the Woods“ selbst am aller besten und auch Sondheim und Lapine gönnen das ihren Charakteren dann doch nicht. Am Ende bleibt ein kleines, offenes „Ich möcht’…“ von Aschenputtel. Und dem Applaus nach zu urteilen „möcht’“ auch der Zuschauer mehr davon.

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01.11.2010 musical-total.de

Into the Woods – Glücklich bis ans Ende in Kassel

Ab in den Wald. Ab ins Dickicht der Verwirrungen. Ab ins Unterholz der menschlichen Sehnsüchte. Und was dort lauert ist manchmal sehr überraschend. 

Wenn es einen Musicalkomponisten gibt, der offenbar eine Begeisterung für komplizierte Stoffe hegt, dann ist es wohl Sondheim. Sondheim zu inszenieren ist sowohl szenisch als auch musikalisch eine echte Herausforderung, dem sich das Staatstheater Kassel mit einem detailreichen Musicalabend stellt.

Gerade „Into the Woods“ kann sehr verwirrend sein und es ist der schlüssigen Inszenierung von Matthias Davids zu danken, dass man doch immer gut folgen kann, auch wenn gerade viele Dinge gleichzeitig geschehen. Die Personen wissen immer wo’s lang geht und viele passende Details erzeugen immer wieder Situationskomik. Das Stück bietet viele Möglichkeiten für Witze, die auch reichlich ausgenutzt und vom Premierenpublikum dankbar aufgenommen werden. Da stört es fast nicht mehr, dass die deutsche Übersetzung von Michael Kunze, eben doch nicht alle Witze aus dem Originaltext übernehmen kann.

Die Kostüme und Frisuren sind größtenteils märchenhaft und verspielt. Im Gegensatz dazu steht der „Wald“, denn der besteht nicht aus Bäumen, sondern aus überdimensionalen Streichhölzern. Nachdem die Riesin, die Rache für den Tod ihres Mannes sucht, im zweiten Akt die meisten Häuser zerstört hat, sind die Streichhölzer teilweise abgeknickt und verbrannt. Eine Weile liegt auch ein überdimensionaler Zigarettenstummel der Riesin auf der Bühne.

Unter der musikalischen Leitung von Alexander Hannemann sitzen selbst Sondheims komplexe Lieder. Das Orchester schafft eine perfekte Atmosphäre sowohl im eher leichtfüßig klingenden ersten Akt als auch zweiten Akt, wenn die Geschichte düsterer wird und die Figuren nun mit den Konsequenzen ihrer Handlungen aus dem ersten Akt fertig werden müssen. Dazu ist der Ton perfekt abgestimmt und die Darsteller bleiben immer verständlich.

Die Darsteller, die bis in jede Rolle treffend besetzt sind, zeigen durchgängig eine unglaubliche Energie, die sie vor allem bei den kreativen Choreographien von Simon Eichenberger ausleben. Für die Besetzung der fast 20 Rollen hat das Staatstheater viele Gastdarsteller engagiert, darunter einige bekannte Namen. Ann Christin Elverum spielt die Hexe, die jenseits von Gut und Böse steht. Im Lied „Mitternachtsstunde“ kann sie ihre Stimme großartig entfalten. Leider liegen ihr die sehr schnellen, rhythmischen Sprechtexte im Prolog weniger, dabei wirkt ihre Stimme gehetzt und ist kaum zu verstehen.

Das Bäckerehepaar, Detlef Leistenschneider und Mary Harper, findet wie ihre Rollen im Laufe des Stückes zu wunderbarer Harmonie. Beide haben starke Stimmen und vor allem Mary Harper spielt mit sehr ausdrucksstarker Mimik. So zündet auch der Witz in absurden Sätzen wie „Ich brauch den Schuh, um ein Kind zu kriegen!“.

Lisa Antoni als Aschenputtel ist nicht nur niedlich, wenn sie vom Ball schwärmt, sondern hat eine strahlend klare Stimme, die jede Höhe mühelos klingen lässt. Wenn sie mit ihren Vögeln spricht, fühlt man sich wie in einem Walt Disney Märchenfilm.

Erwin Bruhn als geheimnisvoller Mann wirkt mehr verschroben als geheimnisvoll, was sehr auflockernd wirkt. Dafür ist er als Erzähler sehr direkt und scheint sich außerordentlich wohlzufühlen als Herr über die Geschichte.

Ein Highlight sind Serkan Kaya und Julian Looman. Mit Charme und Begierde versuchen sie zunächst als Wölfe Rotkäppchen zu verführen. Als Prinzen von Aschenputtel und Rapunzel kann sich der Zuschauer ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn sie übertrieben Springend und Posierend auf der Bühne erscheinen. Ihr Höhepunkt ist, wenn sie mit schwelgenden Stimmen dem jeweils anderen von ihrem „Liebesleid“ erzählen und sich dabei an Dramatik zu überbieten versuchen. Dass die pathetischen Posen manchmal mit Absicht ins Leere gehen, erhöht noch den Spaß für den Zuschauer. Serkan Kaya stellt seinen Charakter sehr treu nach der eigenen Aussage des Prinzen dar: „Man hat mich dazu erzogen, charmant zu sein, nicht treu.“ – und verführt in einer witzigen Szene voller Überraschungen auch prompt noch die Bäckersfrau.

Tom Schimon ist ein naiver und dennoch entschlossener Hans. Bei „Riesen über uns“ darf er auch einmal richtig zeigen, wie gut er singen kann. Marianne Curn spielt und singt Rotkäppchen mit starker Stimme herrlich frech und eigenwillig. Wenn sie trotzig mit Hans streitet, glaubt man schon das perfekte Pärchen des ganzen Musicals gefunden zu haben. Hans Mutter Renate Dasch zeigt sich resolut, aber besorgt um ihren einfältigen Sohn.

Aus Aschenputtels exzentrischer Familie mit Nayeon Kim und Sabine Roppel als ihre Stiefschwestern Florinda und Lucinda, sowie Bernhard Modes als ihr Vater sticht Maaike Schuurmans als Stiefmutter besonders erinnerungswürdig heraus. Des Weiteren ist Doris Neidig als Rotkäppchens Großmutter zu sehen und als Stimme der Riesin zu hören sowie Shane Dickson als Kammerdiener, der wunderbar wichtigtuerisch seinem Prinzen beisteht.

Mehr als 3 Stunden dauert der Abend inklusive der Pause. Obwohl das Musical im zweiten Akt ein wenig seine Längen hat, zeigt doch keiner Müdigkeit. Die Zuschauer erhebt es jedenfalls sogleich aus den Sitzen und sie danken allen Beteiligten mit lang anhaltendem Applaus. Dass der Versuch, die Applausordnung zu choreographieren nicht ganz gelingt, stört niemanden.

Und sind zu guter letzt alle „glücklich bis ans Ende“?

Wunschlos ist der Mensch ja nie, das zeigt die verstrickte Handlung von „Into the Woods“ selbst am aller besten und auch Sondheim und Lapine gönnen das ihren Charakteren dann doch nicht. Am Ende bleibt ein kleines, offenes „Ich möcht’…“ von Aschenputtel. Und dem Applaus nach zu urteilen „möcht’“ auch der Zuschauer mehr davon. (bk)

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musical-total.de

Eine märchenhafte Reise ins eigene Ich

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Sondheims Stück im zweiten Akt beabsichtigt stark an Schwung verliert und vielleicht nicht sein allerstärkstes Stück ist. (In der besuchten Show erschien das inklusive Pause ohnehin rund drei Stunden lange Musical durch die Panne natürlich besonders lang.) Eine bessere Umsetzung des Stoffs kann man sich kaum vorstellen; da ist dem Staatstheater Kassel wieder ein großer Wurf gelungen. „Into The Woods - Ab in den Wald“ bietet eine märchenhafte Reise ins eigene Ich und zeigt die oft grausame (Märchen-)Welt mit all ihren Herausforderungen auf bekömmliche Art und Weise. - Eine lohnenswerte Lektion in Tiefenpsychologie!

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10.11.2010 Musical Unlimited

„Into The Woods – Ab in den Wald“ am Staatstheater Kassel: Eine märchenhafte Reise ins eigene Ich

von Claudia Bauer-Püschel

(…) Mit seiner „Into The Woods – Ab in den Wald“-Regie ist Matthias Davids wieder einmal eine bis ins kleinste Detail durchdachte, sehr ansprechende Inszenierung gelungen, die Unterhaltung und Tiefgang bestens vereint und die Intention dieses Stücks treffend vermitteln dürfte. Da amüsiert sich der Zuschauer vor allem im bissig-humorigen ersten Akt königlich ohne zu merken, wie ihm der Spiegel vorgehalten wird, denn jeder wird sich in den Archetypen dieses Musicals irgendwo wiedererkennen. Da kommt dann im zweiten Akt die Erkenntnis, dass die Dinge sich im Leben ständig ändern, und Glück nie von Dauer ist. Zuletzt wird dem Zuschauer die Hoffnung, dass sich jemals etwas an der Unersättlichkeit der Menschen, ihrem Streben nach immer mehr etwas ändern wird, mit nur zwei Worten genommen: „Ich will…“. Für die versierte Dramaturgie der Produktion war im Übrigen Stephanie Winter zuständig.

Kongenial ist auch wieder einmal Mathias Fischer-Dieskaus Bühnenausstattung. Riesige offene Streichholzschachteln dienen als Behausungen der Märchenfiguren. Die mittlere ist nicht komplett geöffnet, hier sieht man die Aufschrift „Welthölzer – Sicherheitszündhölzer“. Da werden wohl bei mehr als einem Zuschauer Kindheitserinnerungen daran lebendig, wie Großvater eines dieser Streichhölzer nahm, um sich eine Zigarre anzuzünden; man erinnert sich mit einem Mal wieder daran, wie man selbst mit diesen Hölzchen bastelte – oder auch zum ersten Mal zündelte. Man denkt an die Zeit zurück, in der Märchen einfach zum Leben dazugehörten. Insofern garantiert schon das Bühnenbild der ersten Szene den perfekten Einstieg in ein oftmals gefährliches Märchenreich, das einem seit jeher vertraut erscheint. Die drei Schachtelhäuser trennen klar verschiedene Gesellschaftsschichten: Hans mit seiner Mutter und ihrer einzigen Kuh gehören zur armen Bevölkerung, das Bäckerspaar zum Mittelstand und Aschenputtels Stiefmutter samt Familie zur Oberschicht. Doch ganz gleich auf welchem Niveau sich jemand bewegt, den Wunsch nach einer besseren Zukunft teilen alle.

Auch der technisch wunderbar fließend realisierte Wald aus Zündhölzern, das abgebrannte große Streichholz und der riesige Zigarettenstummel im zweiten Akt sprechen eine klare Sprache: Im Wald lauern Gefahren, und der Brand bricht auch prompt aus; Dinge können auf der einen Seite konstruktiv sein, doch wenn das rechte Maß verloren geht, dann rutschen sie auf der anderen Seite ins Destruktive ab; und es gibt immer einen Mächtigeren – hier die Riesen, die ihren Abfall (Zigarettenkippe) in den Wald werfen. Gegen solch eine Übermacht hilft nur starker Zusammenhalt. In einer Zeit, in der sich jüngst Bürger gegen Atomtransporte und -politik zur Wehr setzten, erscheint eine solche Symbolik brandaktueller denn je. Wirkungsvoll ins rechte Licht gerückt wird die kontrastreiche Bühne durch Alfred Geisels Lichtdesign. Unter der Leitung von Alexander Hannemann interpretiert das Staatsorchester Kassel Sondheims Partitur auf den Punkt genau. Dem ist kaum etwas hinzu zu fügen. – Bravo! Simon Eichenbergers Choreografie lässt die Cast vor allem an den optisch kompakten Stellen (Titellied!) sehr gut zur Geltung kommen. Sie trägt ebenso zu einem spannenden Theaterabend bei wie Judith Peters Kostüme. – Exakt so stellt man sich Sondheims Märchenfiguren vor! Die Vorstellung am 07.11. stand in technischer Hinsicht unter keinem guten Stern, denn nach wenige Minuten fiel die komplette Mikroportanlage aus, und nach rund 20 Minuten ohne intakte Mikrofonierung wurde die Vorstellung auf unbestimmte Zeit abgebrochen. In dieser an sich unglücklichen Situation zeigten sich aber auch die Qualitäten des Kasseler Staatstheaters: Auch ohne Verstärkung waren die Künstler (zumindest in Reihe 5, Orchestersessel) noch gut zu verstehen, was für ihr Können und die gute Akustik des Opernhauses spricht. Die Tonabteilung, für die dieser Ausfall nahezu ein Super-GAU gewesen sein muss, hatte den Defekt circa 25 weitere Minuten später behoben, und die Show konnte ohne weitere Zwischenfälle fortgesetzt werden. Mit einem Galgenhumor gewürzt, der zum Sondheim-Stück passte, gab der Erzähler des Stücks Erwin Bruhn nach der Zwangspause eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse im Stück zum Besten – eine sehr gute Sache, um dem Publikum den Wiedereinstieg zu erleichtern. Alle Darsteller waren trotz der Unterbrechung schnell wieder in ihren Rollen präsent. Zu ihnen im Einzelnen: Als Erzähler/Geheimnisvoller Mann beweist Erwin Bruhn in einer reinen Sprechrolle viel Präsenz – eine souveräne Leistung. Den Vater, der sich erst spät im Leben zu seinem Kind bekennt, gibt es in der Realität wohl häufiger, und diesen Typus verkörpert der Geheimnisvolle Mann. Erwin Bruhn mimt die fließenden Übergänge seiner beiden Figuren mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit.

Souverän zeigt sich auch Ann Christin Elverum als Rapunzels herrische Mutter, die Hexe. Diese steht wohl für alle Mütter, die ihre Kinder nicht loslassen können oder gar deren Lebensinhalt sein wollen. Wer Ann Christin Elverum von anderen Rollen – beispielsweise die der Marguerite in „The Scarlet Pimpernel“, Fantine in „Les Misérables“, Königin Anna in „3 Musketiere“ oder Florence in „Chess“ – her kennt, der wird sie in „Into The Woods – Ab in den Wald“ noch von einer ganz anderen Seite kennenlernen. Technisch gibt es daran nichts auszusetzen. Detlef Leistenschneider gefällt als Bäcker mit klarer Stimme und überzeugendem Spiel. Als Ehefrau steht ihm Mary Harper zur Seite, die die Sehnsüchte der kinderlosen Frau eindrucksvoll vermittelt.

Lisa Antoni füllt die vielleicht etwas undankbare Rolle des Aschenputtel mit schönem Gesang und angemessenem Spiel sehr gut aus. Als Aschenputtels Prinz und Wolf beherrscht Serkan Kaya den Wald mit ungeheurem komödiantischen Talent. Sein Timing ist perfekt, so dass jeder Gag zündet. Beim Duett „Liebesqual“ (engl. Original: „Agony“) muss sich der Zuschauer zusammenreißen; sonst schüttelt ihn die pointiert komische Gesangsdarbietung glatt vor Lachen durch. Mit Serkan Kaya ist die Rolle des aufreißerischen Prinzen top besetzt. Einzige Nebenwirkung seines profilierten Spiels: Es wird schwer werden, ihn in einer ernsten Rolle nicht dauernd im Geiste von der Bühne hüpfen zu sehen. 😉 (Bei dem Hüpfer handelt es sich um einen Running Gag.) Der Bruder des Prinzen (Rapunzels Prinz/Wolf) wird von Julian Looman gespielt, der rein optisch herrlich mit Serkan Kaya kontrastiert und auch gesanglich im besten Sinne einen guten Gegenpol bietet. Von der Anlage des Stücks her ist er derjenige, der ein Stück weit im Schatten seines Bruders steht. Durch die Teilung der Wolfsrolle kann Looman seine gesanglichen Fähigkeiten auch bei „Hallo, kleine Frau!“ gemeinsam mit Serkan Kaya unter Beweis stellen.

Tom Schimon gibt den oftmals unbedacht übermütigen Hans überzeugend. Sein „Es gibt Riesen über uns“ hätte in der besuchten Vorstellung vielleicht noch eine Nuance eindringlicher ausfallen können, um die Botschaft genau zu verstehen. Insgesamt nimmt man Schimon die Figur aber ab. Als Hans’ besorgte Mutter ist Renate Dasch präsent. Marianne Curn setzt ihre Stimme als Rotkäppchen stark charakterisierend ein. Die leicht schrille Klangfarbe unterstreicht perfekt das Wesen dieser kleinen Göre, die auf den Weg zur kranken Großmutter geschickt wird. Das unerfahrene Mädchen ist den Verlockungen dort draußen ausgesetzt, so wie es (nicht nur) junge Menschen auch im wirklichen Leben sind. Den richtigen Weg zu finden ist nicht immer leicht, aber aus Erfahrungen lernt man und wird – teils auch negativ – geprägt. Marianne Curn vermittelt Rotkäppchens Entwicklung auf charmante Art, so dass es eine Freude ist.

Zur geradezu optimalen Kasseler „Into The Woods – Ab in den Wald“-Besetzung zählt auch Ingrid Frøseth, die mit Rapunzels Figur auch eine der undankbareren Rollen hat. Zunächst wird sie von der Mutter tyrannisiert und muss sich ständig an ihrem langen Haar reißen lassen, dann siegt ihr Freiheitsdrang, doch der endet schnell im Wahnsinn. Ingrid Frøseth hat hier mehrfach laut schreiend über die Bühne zu laufen. – Das erfordert Mut, eine kräftige Stimme und die richtige Technik, um sie nicht zu ruinieren. Wunderbar arrogant erscheint Aschenputtels Stiefmutter (Maaike Schuurmans) mit ihren Töchtern Florinda (Nayeon Kim) und Lucinda (Sabine Roppel). Ferner sind noch Bernhard Modes als Aschenputtels lascher Vater, Doris Neidig als Aschenputtels Mutter/Rotkäppchens Oma/Stimme der Riesin sowie Shane Dickson als Kammerdiener zu sehen bzw. zu hören. Die Statisterie des Staatstheaters ist ebenfalls an der Produktion beteiligt.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Sondheims Stück im zweiten Akt beabsichtigt stark an Schwung verliert und vielleicht nicht sein allerstärkstes Stück ist. (In der besuchten Show erschien das inklusive Pause ohnehin rund drei Stunden lange Musical durch die Panne natürlich besonders lang.) Eine bessere Umsetzung des Stoffs kann man sich kaum vorstellen; da ist dem Staatstheater Kassel wieder ein großer Wurf gelungen. „Into The Woods – Ab in den Wald“ bietet eine märchenhafte Reise ins eigene Ich und zeigt die oft grausame (Märchen-)Welt mit all ihren Herausforderungen auf bekömmliche Art und Weise. – Eine lohnenswerte Lektion in Tiefenpsychologie!

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Termine

30. Oktober 2010, 19:30 Uhr
Staatstheater Kassel

03. November 2010, 19:30 Uhr

07. November 2010, 19:30 Uhr

13. November 2010, 19:30 Uhr

21. November 2010, 19:30 Uhr

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04. Dezember 2010, 19:30 Uhr

12. Dezember 2010, 19:30 Uhr

19. Dezember 2010, 19:30 Uhr

23. Dezember 2010, 19:30 Uhr

07. Januar 2011, 19:30 Uhr

14. Januar 2011, 19:30 Uhr

22. Januar 2011, 19:30 Uhr

26. Januar 2011, 19:30 Uhr

04. Februar 2011, 19:30 Uhr

12. Februar 2011, 19:30 Uhr

18. Februar 2011, 19:30 Uhr

26. Februar 2011, 19:30 Uhr

11. März 2011, 19:30 Uhr

20. März 2011, 19:30 Uhr

05. April 2011, 19:30 Uhr

09. April 2011, 19:30 Uhr

29. April 2011, 19:30 Uhr

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20. Mai 2014, 19:30 Uhr

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