© Barbara Pálffy / Volksoper Wien
WIEN / Volksoper:
KÖNIG KAROTTE von Jacques Offenbach
Koproduktion zwischen der Staatsoper Hannover und der Volksoper Wien
Premiere: 23. November 2019,
besucht wurde die Generalprobe
Das hätte, schwierig wie es ist, grausam schief gehen können – und wurde ein Triumph. Man kann sich vorstellen, wie viele Steine Volksopern-Direktor Robert Meyer vom Herzen gefallen sind, als er vor einem Jahr in Hannover die Aufführung von Offenbachs „König Karotte“ gesehen hat, jene Co-Produktion, die ihm garantierte, im Offenbach-Jahr etwas Besonderes zu bieten zu haben. Einen Spaß ohnegleichen. Eine schlechtweg brillante Aufführung. So viel Glück hat man nicht alle Tage.
Über die Schwierigkeiten, die unbekannten Operetten Offenbachs hierzulande auf die Bühne zu bringen, muss man nicht diskutieren. Die gallische Freude am Nonsense ist nicht unbedingt unsere – außer man probiert’s, wie es Regisseur Matthias Davids (seit langem im festen Besitz des Linzer Landestheaters als Musical-Spezialist) tat. Er hat das Original, in dem sich Victorien Sardou (der Mann hat schließlich auch „Tosca“ für Sarah Bernhardt geschrieben!) und Offenbach übertrumpften, so viel Absurditäten wie möglich zusammen zu koppeln wie möglich. Komische Oper und Märchenstück zugleich (wie es in unseren Breiten ja noch in Nestroys Frühzeiten populär war), mit allem voll gestopft, was den Herren so eingefallen ist.
Politische Satire, die ganz ausgewachsen war und dem Publikum zeigte, dass in unserer Welt sogar Karotten, Rüben und Lauch aus der Erde kriechen und per Staatsstreich die Regierung übernehmen können… und wie sich das Volks anpasst! Und wie!!! Dazu das alte Märchen von böser Hexe und lebensmüdem Zauberer, nichtsnutzigem Prinzen und gefangenem Burgfräulein. Und wenn alle dann auf Reisen gehen, landet man auch im alten Pompeji – und erzählt den alten Römern von den Vorzügen der Eisenbahn, auf die man 1872 noch so stolz war… Und man kann auch bei den Ameisen landen (Hojotoho!!!) oder bei den Affen, und bis dann alles im turbulenten Happyend landet, sind die drei denkbar kurzweiligsten, verrücktesten Stunden vergangen.
Keine Frage, man kann das Ganze auch (wie eine missgelaunte Dame in der Pause meinte) „einfach blöd“ finden, aber dann hat man keinen Sinn für Ironie, politische Satire und absurden Witz, keinen Sinn für die perfekte Machart, mit der Regisseur Matthias Davids das immer im richtigen Tempo in den Griff bekam, keinen Sinn für eine ebenso praktische wie witzige Ausstattung von Mathias Fischer-Dieskau / Susanne Hubrich (da kommt Eisenbahn-Dampf auch schon mal aus einer umfunktionierten antiken Säule…). Kurz, wenn man es versteht und mag, stellt sich die höhere Offenbach-Wonne ein.
Auch weil er jede Menge prächtige und abwechslungsreiche Musik dafür geschaffen hat, in besten Händen bei Guido Mancusi, wenn man auch zugibt, dass es keinen wirklichen „Schlager“ wie den CanCan oder den „Prinzen von Arkadien“ gibt, aber Qualität entfaltet sich auch jenseits von Ohrwürmern. Und – in der Besetzung. Schon lange hat man die Damen und Herren der Volksoper nicht so überzeugend gesehen.
Da ist Mirko Roschkowski als „Fridolin XXIV., Prinz von Krokodyne“ mit schönem Tenor und mitreißender Spielfreude, der in Amira Elmadfa einen lieben guten Geist im Studentengewand bekommt. Weniger Glück hat er mit seiner Prinzessin Kunigunde, denn die schwenkt ganz schnell zum neuen Karottenkönig über: Julia Koci als temperamentvolles Biest beherrscht als Sängerin und Persönlichkeit über weite Strecken die Bühne. Aber auch Johanna Arrouas als Rosée-du-Soir, das gefangene Burgfräulein mit der liebenden Seele, hat eine prächtige Rolle und darf ihre große Koloraturen-Arie à la Olympia singen…
Der Prinz ist von einer Reihe von Beratern umgeben (die dann alle noch andere Aufgaben bekommen), Boris Eder ist unter ihnen der komischste, Marco Di Sapia als Polizeichef jener mit der besten Rolle, denn er darf ununterbrochen zwischen den jeweils Mächtigen die Seiten wechseln, und das kommt einem so schrecklich bekannt vor. Schwarzmagier Truck spricht, wenn man sich nicht irrt (er erscheint schließlich in Gestalt von Yasushi Hirano), Japanisch, und auch das passt in die allgemeine Absurdität. Apropos, dass König Karotte, der sich bald so weinerlich gebärdet, Koreaner ist (Sung-Keun Park), bekommt man unter seiner prächtigen Karottenmaske gar nicht mit. Jedenfalls kräht er die Rolle so, wie man sie sich vorstellt.
Bleibt noch zu erwähnen, dass man die Fülle der Darsteller, die samt Chor die Bühne fast zu sprengen scheinen, nicht einzeln hervorheben kann, nur dass man Martina Dorak ein paar Möglichkeiten mehr gegönnt hätte – und dass man böse, maliziöse, brüllend komische Hexen und Zauberer nicht besser besetzen kann als mit Christian Graf (der schon als Juno in „Orpheus in der Unterwelt“ gezeigt hat, dass er der Volksoper bester Transvestit ist – man sollte ihn den „Käfig voller Narren“ spielen lassen).
So rundum gepasst hat es schon lange nicht – und das bei dem denkbar schwierigsten Unterfangen. Man kann der Volksoper nur gratulieren.
Renate Wagner