Stückinfo
Musical von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg nach dem Roman von Victor Hugo
Französisches Originalbuch von Alain Boublil und Jean-Marc Natel
Englische Gesangstexte von Herbert Kretzmer
Zusätzliches Material von James Fenton
Orchestrierung von James Cameron
Deutsch von Heinz Rudolf Kunze
Medien
Leitungsteam
Matthias Davids
Koen Schoots
Melissa King
Mathias Fischer-Dieskau
Noelle Blancpain
Guido Petzold
Stephan Linde
Frank Sattler
Darsteller
Oscar Bly
Olegg Vynnyk
Mathias Edenborn
Jesper Tydén
Kurt Schrepfer
Ivar Helgason
Caroline Vasicek
Lucy Scherer
Eva Aasgaard
Sonja Atlas
Frank Winkels
Rory Six
Sean Gerard
Oliver Arno
Luciano Di Gregorio
Marion Furtner
Leigh Martha Klinger
Mary Byrnes
Presse
Leinwandsprengende Emotionen
Mit starken Kontrasten halten Regisseur Matthias Davids und seine Ausstatter Mathias Fischer-Dieskau und Noelle Blancpain das Publikum knapp drei Stunden lang in Atem. (...) Beinahe immer aber sprengen [die Bildideen] die Leinwand durch die Lebendigkeit des Theatralischen. (...) Der erlösende Jubel am Ende ist gross – und berechtigt. (...) Dass Matthias Davids die heilsgeschichtliche Perspektive in seiner Inszenierung am Theater St. Gallen nicht unterschlägt oder beiläufig herunterspielen lässt, sondern in prägnante Bilder fasst, schafft dramaturgisch ein starkes Gegengewicht zur erwartbaren Nummer sicher, die «Les Misérables» zweifellos ist.
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St. Galler Tagblatt, 18. März 2007
Leinwandsprengende Emotionen
Elend, malerisch schön und dramatisch aufgeladen: «Les Misérables» von Boublil/Schönberg am Theater St. Gallen
Das Musical geht auf die Barrikaden: Mit der Schweizer Erstaufführung des Revolutionsdramas «Les Misérables» wird St. Gallen seinem guten Ruf als Musicalhochburg mehr als gerecht und bringt am Premierenabend die Massen in Bewegung.
Bettina Kugler
Näher bei Gott ist wohl nur noch Jesus selbst, im Kosmos des Musicals: Jesus Christ Superstar. Ganz unten beginnt der Weg des Jean Valjean; in der tiefsten menschlichen Erniedrigung, der blanken Armut – im Staub der Sträflingskolonie, wo er ein halbes Menschenleben für ein aus Hunger gestohlenes Stück Brot in schweren Ketten schuften soll. Doch die Geschichte will es, dass Valjean im rechten Moment die Kurve kriegt; dass er erfährt, was Gnade ist und anderen zum Retter wird. Seine Vergangenheit allerdings zieht wie ein Schatten mit, während die Tapferen auf den Barrikaden die Zukunft erstreiten.
Übermächtig ist der religiöse Unterton in «Les Misérables», unübersehbar die allegorische Dimension des Stücks als Welttheater in buchstäblich revolutionären Zeiten. Und selten wirkt das Ringen zwischen Gut und Böse, wirken das inständige Gebet, der selbstlose Einsatz für andere, der «lange Weg nach Golgatha» einer Bühnenfigur so frei von frömmelndem Kitsch, so schlicht und ergreifend wie in der Musicaladaption von Victor Hugos Roman «Les Misérables». Zumindest in St. Gallen – was nicht zuletzt auch der glücklichen Besetzung mit Oskar Bly als Valjean zu verdanken ist.
Starke Kontraste
Bly lässt der Figur Ecken und Kanten, bügelt sie sängerisch nicht glatt, misst zwischen Anfechtung und Sendung ein weites Spektrum aus; er brüllt, flüstert ergriffen, ängstlich, verzweifelt, singt sich selbst Mut zu. Er füllt die wechselnden Rollen seines Lebens im Laufe des Abends, ohne in Stereotype zu fallen und ohne jemals im geradezu permanent wabernden Bühnennebel an Kontur zu verlieren. In Mathias Edenborn als Inspektor Javert hat er zudem einen brillanten, darstellerisch wie stimmlich souveränen Gegenspieler.
Mit starken Kontrasten halten Regisseur Matthias Davids und seine Ausstatter Mathias Fischer-Dieskau und Noelle Blancpain das Publikum knapp drei Stunden lang in Atem: Düstere, karge Szenen wechseln jäh mit grellem Treiben am Hafen von Montreuil und in den verwinkelten Strassen von Paris. Die Bildideen stammen teils aus dem Museum – so das mehrfach zitierte Revolutionsbild von Eugène Delacroix –, teils simulieren sie über Projektionen grosses Kino. Beinahe immer aber sprengen sie die Leinwand durch die Lebendigkeit des Theatralischen. Da tun verzögernde Ruhepausen zwischendurch den aufgewühlten Herzen gut. Der erlösende Jubel am Ende ist gross – und berechtigt.
Temporeiche Szenenwechsel
Launisch schaukelt auch die Musik aus dem Graben die Emotionen hin und her, bis zum dramatischen Kulminationspunkt, dem Barrikadenkampf. In der technischen Wiedergabe blieben am ersten Abend noch Wünsche offen; die Mikroports erwiesen sich hier und da als unzuverlässig, manche Klangfarbe wirkte in der Verstärkung stumpf und eigentümlich verfremdet. Das ist umso bedauerlicher, als ansonsten die Bühnentechnik perfekt funktioniert, das Tempo der schnellen Umbauten stimmt, das Auge voll auf seine Kosten kommt – und Sänger wie Orchestermusiker (Leitung: Koen Schoots) auskosten, was Schönbergs Partitur an Ausdruckspotenzial zu bieten hat.
Nichts Menschliches kommt da zu kurz: nicht die gefallene Unschuld, die Carola Vasicek als Fantine ins Legendenhafte überhöht, nicht die romantische, kämpferische Leidenschaft eines Marius, für den Jesper Tydén die Idealbesetzung ist; auch nicht die Niedertracht, die grotesk-bösartige Seite des Elends, verkörpert durch das hinreissend wüste Lumpenpaar Thénardier (Sonja Atlas, Kurt Schrepfer).
Dass Regisseur Matthias Davids die heilsgeschichtliche Perspektive in seiner Inszenierung am Theater St. Gallen nicht unterschlägt oder beiläufig herunterspielen lässt, sondern in prägnante Bilder fasst, schafft dramaturgisch ein starkes Gegengewicht zur erwartbaren Nummer sicher, die «Les Misérables» zweifellos ist – anders als «Dracula», mit dem Davids vor zwei Jahren weniger Glück hatte.
Atmosphärische Dichte
Natürlich schlägt die Schweizer Erstaufführung des seit langem in Paris und London laufenden Musicals auch durch die gekonnte Mischung aus politisch aufrührerischer Rahmenhandlung und herzbewegender Lovestory in ihren Bann, durch ihre an der populären Oper orientierte Sanglichkeit und orchestrale Opulenz. Aber ihr gelingt darüber hinaus, was selten glückt im Feuerwerk der Spezialeffekte, in der gattungsüblichen Neigung zur temporeichen Materialschlacht: Sie strafft nicht nur bühnenwirksam auf das Allernotwendigste, sondern bewahrt atmosphärisch die Dichte und die symbolische Verweiskraft des Romans. Sie leuchtet den Figuren in die Seele. Dort finden, wie auf den Barrikaden, Kämpfe statt, in denen sich nicht nur Herz und Schmerz feindlich gegenüberstehen.
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St. Galler Tagblatt
Geglückte Schweizer Erstaufführung
Das Premierenpublikum war hingerissen von der St. Galler Fassung, die sich auf eine erstklassige Besetzung, eine pfiffige Umsetzung von Bühne und Regie sowie eine herausragende musikalische Leistung stützte. (...) Regisseur Matthias Davids gelang es, aus manchen Szenen ganz besonders viel herauszuholen, etwa bei der zweiten Begegnung zwischen Marius und Cosette. Hier war die nervöse Verlegenheit und die Angst vor dem falschen Anfang deutlich zu spüren und das Ringen nach richtigen Worten wurde durch eine entsprechende Gestik sympathisch unterstützt. (...) Überragender Oskar Bly mit starker Bühnenpräsenz (...) Die Messlatte in der helvetischen Musicalwelt wurde durch "Les Misérables" mal wieder ein Stückchen höher gelegt.
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musicals April 2007
Geglückte Schweizer Erstaufführung
Von Gunnar Habitz
Die Schweizer Erstaufführung von „Les Misérables“ ließ im Vergleich zu anderen Ländern recht lange auf sich warte, 22 Jahre nach der Londoner Erstaufführung der Cameron-Mackintosh-Produktion ging sie nun am 10. März 2007 im renommierten Theater St. Gallen über die Bühne. Als eines der großen Werke des Genres gehört das Musical von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg genau an dieses Haus, das sich durch hervorragende Eigenproduktionen in der Musicalszene einen Namen auch weit über die Schweiz hinaus gemacht hat.
Um es vorwegzunehmen: Das inzwischen an große Erfolge gewöhnte Premierenpublikum war hingerissen von der St. Galler Fassung, die sich auf eine erstklassige Besetzung, eine pfiffige Umsetzung von Bühne und Regie sowie eine herausragende musikalische Leistung stützte. Mit Regisseur Matthias Davids und Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau setzte man in St. Gallen auf das Team, das vor zwei Jahren an gleicher Stelle bereits die europäische Erstaufführung von Frank Wildhorns „Dracula“ umsetzte. Sie lieferten ein absolut überzeugendes Gesamtbild ab, zu dem wesentlich auch der reine Klang des Sinfonieorchesters unter dem Dirigat des musikalischen Leiters Koen Schoots beigetragen hat – ein Genuss!
Werden manche freie Versionen von „Les Misérables“ eher als Suche nach Abweichungen vom Original betrachtet, lohnt sich bei der St. Galler Inszenierung der Blick auf das Ganze, das sich im Laufe des Abends stimmig zusammenfügt. So bestand die Bühne größtenteils aus dunklen, zweistöckigen, abstrakten Hauselementen mit schrägen Fenstern ohne jeglichen Schmuck. Diese Elemente wurden für die verschiedenen Szenen rasch bewegt, so dass zunächst der Eindruck einer Drehbühne entstand, wobei im Gegensatz zum Original gar nicht mit einer solchen gearbeitet wurde. Die Häuser ließen sich zügig verschieben, und so ergaben sich schnelle Szenenwechsel, beispielsweise von einem Außenschauplatz zu einem Innenraum wie etwa dem Bordell oder Fantines Krankenzimmer.
Bühnenbilder Mathias Fischer-Dieskau ergänzte die Elemente durch Projektionen im Hintergrund, mal als Standbild, dann wieder bewegt. Dadurch erreichte er Szenenübergänge von Rauch auf der Bühne zu Wolken auf der Leinwand oder aber die Vermittlung konkreter Hintergründe. Beim Eklat in der Fabrik erzeugten beispielsweise zwei rauchende Schornsteine eine düstere Atmosphäre. Später wurden auch die verschiedenen Tageszeiten veranschaulicht, etwa vor dem Haus Jean Valjeans, das auf den ersten Blick dem abgebildeten Hintergrund nach hoch oben in Edith Piafs Stadtteil Bellevue stehen müsste. Vor allem zeichnete Fischer-Dieskau durch die Kombination von Hauselementen und Projektion sowie durch den geschickten Einsatz von Farben ein Bild damaliger Pariser Gassen („Das Lied des Volkes“)
Mit Spannung wurde natürlich die Barrikade erwartet. Diese bestand aus zwei schrägen Hauselementen, die an Seilen herabgelassen wurden. Die Fensterlöcher dienten den Studenten zum Klettern auf der Barrikade, die in ihrer abstrakten Form übrigens recht gut zum modernen Bau des Stadttheaters passt. Der Kampf an der effektiv genutzten Barrikade wurde durch Farbvielfalt und Rauch noch unterstützt. Nachdem der letzte Student gefallen war, verschwanden auch die Farben – der Tod trägt nur Schwarz-Weiß. Der Gesamteindruck der Szenerie mit der geschwenkten roten Fahne brauchte den Vergleich zur Originalinszenierung nicht zu scheuen. Einzig den Blick auf die gedrehte Barrikade des Originals mit dem gefallenen Enjolras als Symbol für die Niederschlagung des Aufstandes konnte hier vielleicht vermisst werden.
Für die Folgeszene hoben sich die Barrikaden nur leicht an und erzeugten die Kanalisation, die zudem durch eine Hintergrundprojektion mit weiteren Gängen sowie Hall und Rauch verdeutlicht wurde. Für Javerts großes Solo wurden dieselben Hauselemente noch ein Stück weiter gehoben, der Inspektor sprang schließlich in einer spannungsgeladenen Szene von ganz oben nach hinten in den Tod.
Regisseur Matthias Davids gelang es, aus manchen Szenen ganz besonders viel herauszuholen, etwa bei der zweiten Begegnung von Marius mit Cosette. Hier war die nervöse Verlegenheit und die Angst vor dem falschen Anfang deutlich zu spüren und das Ringen nach richtigen Worten wurde durch eine entsprechende Gestik sympathisch unterstützt.
Die Kostüme gestaltete Noelle Blancpain der Zeit der Handlung gemäß, ohne bei den Hauptdarstellern allzu weit vom Original abzuweichen. So trug Enjolras zwar keine Patronenhülsen auf seinem Hemd, als einziger Student aber doch eine rote Weste. Auffallend waren die in hellblauen Tönen gekleideten Prostituierten, die eleganten Kleider der erwachsenen Cosette und natürlich die Kostüme der Thénardiers.
Beim Blick auf die Namen der Protagonisten fällt auf, dass weder ein Schweizer noch eine Schweizerin unter den Hauptrollen zu finden sind, sondern hauptsächlich skandinavische Sänger. Allen voran ist der überragende Oskar Bly als Jean Valjean mit seiner starken Bühnenpräsenz zu nennen. Mathias Edenborn entwickelte sich als Inspektor Javert zum gesanglich und darstellerisch ebenbürtigen Partner. Jesper Tydén spielte einen überzeugenden Marius, der spürbar zwischen seiner euphorischen Liebe zu Cosette und der Treue zu seinen Kommilitonen schwankte. Die dreisten Thénardiers wurden dank Kurt Schrepfer und Sonja Atlas zu Publikumslieblingen. Caroline Vasicek interpretierte die Fantine gesanglich souverän, ebenso Lucy Scherer die Eponine, die sie sehr sympathisch gab. Eva Gullvåg Aasgaard als Cosette und Ivar Helgason als kämpferischer Enjolras komplettierten das Ensemble.
Die Messlatte in der helvetischen Musicalwelt wurde durch „Les Misérables“ mal wieder ein Stückchen höher gelegt. Die Thuner Seebühne folgt als nächste Station der „Elenden“ vom 17. Juli bis 5. September. Ein Vergleich mit St. Gallen erübrigt sich jedoch, da ein Open-Air-Umsetzung andere Anforderungen stellt.
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Termine
10. März 2007, 19:30 Uhr
Theater St. Gallen
18. März 2007, 14:30 Uhr
Theater St. Gallen
18. März 2007, 19:30 Uhr
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19. März 2007, 19:30 Uhr
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15. April 2007, 14:30 Uhr
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15. April 2007, 19:30 Uhr
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28. April 2007, 19:30 Uhr
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14. Mai 2007, 19:30 Uhr
Theater St. Gallen
15. April 2007, 19:30 Uhr
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28. Mai 2007, 19:30 Uhr
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16. Juni 2007, 19:30 Uhr
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07. Oktober 2007, 17:00 Uhr
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09. Oktober 2007, 19:30 Uhr
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13. Oktober 2007, 14:30 Uhr
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13. Oktober 2007, 19:30 Uhr
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01. November 2007, 19:30 Uhr
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26. November 2007, 19:30 Uhr
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23. Dezember 2007, 19:30 Uhr
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26. Dezember 2007, 14:30 Uhr
Theater St. Gallen
26. Dezember 2007, 19:30 Uhr
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