Stückinfo

Opéra-bouffe-féerie in vier Akten von Jacques Offenbach (1872)
Text von Victorien Sardou, Neuübersetzung der Gesangstexte von Jean Abel (2017)

Staatsoper Hannover /D
Koproduktion mit der Volksoper Wien

Krokodyne ist eigentlich ein ganz normales Königreich – abgesehen vielleicht von der Innung für Hexen und Zauberer, dem königlichen Schwarzmagier und einem korrupten Polizeichef, der zugleich der »Höchste Beamte für Geheimnisse« ist. Eigentlich ist Prinz Fridolin XXIV. auch ein ganz normaler Regent: durch und durch verwöhnt, vergnügungssüchtig und verschwenderisch. Doch der gute Geist Robin hat sich in den Kopf gesetzt, Fridolin zum Wohle seines Landes auf den Pfad der Tugend zu bringen. Unverhofft bekommt er Hilfe von der Hexe Kalebasse, die den Prinzen stürzen will. Mitglieder des königlichen Gemüsebeets übernehmen die Macht: König Karotte und sein Gefolge aus Radieschen, Rübchen und Roten Beten. Eine Zeit der Prüfung und Entbehrung soll Fridolin Maß und Demut lehren, kurz: ihn letztlich zu einem guten, aufgeklärten Herrscher formen.

Für Fridolin folgt eine Reise durch fantastische Welten: Zum Zauberer Quiribibi, der ihn auf die Suche nach dem magischen Ring des Salomon schickt. In den Arbeiterstaat der Ameisen und zur Frühlingsfeier der Insekten. Ins antike Pompeji. In einen Schiffbruch und auf die Insel der Affen. In den Aufstand seiner Untertanen gegen den Karottenkönig und die Revolution. Durch alle turbulenten Verwicklungen führt Robin den Prinzen hindurch und – mit Hilfe der herzensguten Rosée-du-soir, die Fridolin bedingungslos liebt – die Handlung einem guten Ende zu.

Zum 200. Geburtstag des genialen Musikers und Theatermachers bringt die Staatsoper Hannover Jacques Offenbachs »König Karotte« zurück ins Rampenlicht. Auf ein Libretto von Victorien Sardou, seinerzeit einer der berühmtesten französischen Theaterautoren (dessen Drama »La Tosca« später in der Vertonung von Giacomo Puccini auch die Bretter der Opernwelt eroberte), geriet die Uraufführung 1872 am Pariser Théâtre de la Gaîté zu einem von Offenbachs größten Erfolgen. Triumphale 193 Vorstellungen in sechs Monaten und Produktionen in London und Wien folgten, bevor das Werk fast 150 Jahre in der Versenkung verschwand.

Die deutsche Erstaufführung der neuen Edition der Musik mit neu übersetzten Gesangsnummern ermöglicht einen aktuellen Blick auf eines der größten Bühnenwerke des Komponisten: Mit »König Karotte« schufen Jacques Offenbach und Victorien Sardou eine »Opéra-bouffe-féerie«, die vorbildlose, einzigartige Verbindung von märchenhaftem Zaubertheater und komödiantischer Opéra bouffe. Hinter den Sensationen des theatralen Scheins (19 Bilder in 4 Akten! spektakuläre Bühnen- und Requisiteneffekte! lebendiges Gemüse! singende Tiere! Hexen und Zauberer!) verbirgt sich eine Parabel von tieferer Bedeutung. Mitreißend, pulsierend und ungemein theaterwirksam wie immer ist Offenbachs Musik. Witzig, bissig und brisant wirkt der Text auch heute noch, gesättigt mit literarischen und politischen Anspielungen, die beinahe gegenwärtig erscheinen.

Medien

(Produktionsfotos: Jörg Landsberg)

Leitungsteam

Musikalische Leitung
Valtteri Rauhalammi
Regie
Matthias Davids
Bühne
Mathias Fischer-Dieskau
Choreografie
Kati Farkas
Kostüme
Susanne Hubrich
Lichtdesign
Sascha Zauner
Dramaturgie
Swantje Köhnecke

Darsteller

Fridolin XXIV, Prinz von Krokodyne
Eric Laporte
Robin
Mareike Morr
Robin
Josy Santos
Rosée-du-Soir
Athanasia Zöhrer
Prinzessin Kunigunde
Anke Briegel
Prinzessin Kunigunde
Stella Motina
König Karotte
Sung-Keun Park
Piepertrunk, Polizeichef
Frank Schneiders
Truck, Schwarzmagier
Byung Kweon Jun
Hexe Kalebasse/ Zauberer Quiribibi
Daniel Drewes
Baron Koffre/ Pyrgopolyneikis
Uwe Gottswinter
Marschall Trac
Pawel Brozek
Graf Schopp
Daniel Eggert
Baronin Koffre/ Christiane/ Corinne/ Brigadeführerin
Carmen Fuggiss

Presse

„König Karotte“ – witzig, bissig und brisant

„Le Roi Carotte“ ist eines der aufwendigsten und facettenreichsten Stücke des französischen Komponisten Jacques Offenbach. Die Polit-Satire, in der die Mitglieder des königlichen Gemüsebeets die Macht übernehmen, wurde vor fast 150 Jahren uraufgeführt. Nun zeigt die Staatsoper Hannover die deutsche Übersetzung „König Karotte“. Regisseur Matthias Davids setzt die fiktive Handlung in flottem Tempo und einfallsreich um. Mit Verve, Esprit, Tempo und Temperament brennt der neue erste Kapellmeister des Hauses Valterri Rauhalammi ein musikalisches Feuerwerk ab. Für unseren Rezensenten war die Premiere am 4. November an der Staatoper Hannover ein großartiger Abend.

Deutschlandfunk, Dieter David Scholz

Beste Unterhaltung

An der Staatsoper ist Jacques Offenbachs „König Karotte“ als deutsche Erstaufführung zu erleben – und bietet beste Unterhaltung. Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau lässt die gemalten Prospekte wackeln und zeigt, wie schnell Pompeji auferstehen und untergehen kann. Das ist der ironisch gebrochene Bühnenrahmen für eine Inszenierung, die dem Affen Zucker und der Karotte schöne Schärfe gibt. Matthias Davids hat in Hannover schon mehrfach bewiesen, wie trefflich er gute Unterhaltung kann.

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HAZ

Offenbachs „König Karotte“ an der Staatsoper 

An der Staatsoper ist Jacques Offenbachs „König Karotte“ als deutsche Erstaufführung zu erleben – und bietet beste Unterhaltung.

Jetzt haben wie den Salat. Genauer gesagt: einen Gemüse-Auflauf, eine Zusammenrottung des Wurzelgemüses. In der Staatsoper Hannover hat „König Karotte“ das Sagen, aber weniger zu singen. Wofür Sung-Keun Park aber dennoch mit Beifall bedacht wird. Für alle Fälle hat Regisseur Matthias Davids den Schlussbeifall gleich zu Beginn seiner Inszenierung entsprechend auf die Bühne gebracht. Wäre aber gar nicht nötig gewesen, das amüsierte Publikum klatschte nach drei Stunden Operettenspaß auch ohne szenische Anleitung.

Nicht ohne Stolz präsentiert der promovierte Offenbach-Kenner Michael Klügl auf der anspruchsvollen Schlussgeraden seiner Intendantenzeit die deutsche Erstaufführung von Offenbachs „Le Roi Carotte“. Zwar hat es vor 37 Jahren schon einmal eine deutsche Erstaufführung gegeben, in Bremen. Aber das war damals eine politisch zugespitzte Offenbachiade, in Hannover gibt es tatsächlich als deutsche Premiere die Kritische Edition des Offenbach-Forscher Jean-Christophe Keck, der immer noch eine Arie, noch ein paar Notenblätter, noch eine Skizze findet. Und sich so der originalen „Opéra-bouffe-féerie“ annähert, einer Theaterform, die Spektakel, Märchenspiel, Operette und Kabarett zugleich war – und entsprechend ausladend.

Es geht um den liederlichen Kronprinzen Fridolin, der von seinem guten Geist Robin geläutert werden soll. Und um die böse Hexe Kalebasse, die sich für ein gegen sie verhängtes Berufsverbot durch Fridolins königlichen Vater rächen will, indem sie den Aufstand der Gemüseunterwelt anzettelt.

Die Zauberin verleiht der Karotte so viel stramme Unwiderstehlichkeit, dass auch Fridolins Braut, die kesse Kunigunde, seiner königlichen Prallheit verfällt. Und mit ihr fast der ganze Hofstaat. Als auch noch die klappernden Rüstungen von Fridolins Ahnen den Prinzen verfluchen, bleibt nur die Flucht. Mit dabei sind der treue Robin, der Schwarzmagier Truck, die als Junge verkleidete, aber schwer in Fridolin verliebte Grafentochter Rosée und bald auch der wankelmütige Polizeichef Pipertrunck

Weil das bei der Uraufführung 1872 ein opulentes Ausstattungsstück war, führt die Lehrfahrt erst ins Hexenreich, dann nach Pompeji, in einen Ameisenstaat und auf einen Affenfelsen. Das hat damals die Theaterproduzenten ruiniert und wird jetzt mit strengem Blick auf Staatstheaterfinanzen und einem augenzwinkernden auf die Theatergeschichte liebevoll ironisiert.

Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau lässt die gemalten Prospekte wackeln und zeigt, wie schnell Pompeji auferstehen und untergehen kann. Das ist der ironisch gebrochene Bühnenrahmen für eine Inszenierung, die dem Affen Zucker und der Karotte schöne Schärfe gibt. Matthias Davids hat in Hannover schon mehrfach bewiesen, wie trefflich er gute Unterhaltung kann, doch die dramaturgische Schwächen der Geschichte kann er nicht immer überspielen. Dass der Wortwitz der deutschen Übersetzung von Jean Abel nicht untergeht, dafür sorgen Übertitel und elektronische Tonverstärkung (beim Volksaufstand etwas zu viel!).

Kostümbildnerin Susanne Hubreich darf sich hier nicht nur beim Gemüse austoben. Und das Ensemble füllt die bunten Gewänder mit großer Spielfreude, sicher angeleitet von Valtteri Rauhalammi am Dirigentenpult: Chor und Orchester reagieren pointensicher und stimmungsstark.

Eric Laporte ist ein stimmlich heldenhaftes Prinzenbürschchen, das von Mareike Morr (Robin) souverän durchs Geschehen geführt wird. Stella Molina ist eine mit allen Pariser Duftwässerchen gewaschene Kunigunde, Anathasia Zöhrer eine anrührende Rosée und Daniel Drewes als Kalebasse eine hinreißende Böse-Hexen-Karikatur in bester Disney-Manier. Sung-Keun Park als Karotten-König macht selbst das Abschlaffen Spaß und das Ensemble gibt selbst den vielen kleineren Rollen Format. Am Ende ist das Gemüse ein Eintopf, die Revolution zermatscht und das Happy End gesichert, zumindest für die fürstliche Führung.

Bei alledem vergisst man fast, dass Offenbach hier zwar immer wie Offenbach klingt, aber oft wie der Offenbach des „Bataclan“ (Rataplan-Parodie), des „Pariser Lebens“ oder von „Hoffmanns Erzählungen“ (Hymnus). Der ganz große Ohrwurm fehlt dann doch, aber allein das Eisenbahn-Rondo lohnt es, ein Billett zu lösen.

An der Endstation gibt es gute Laune und viel Applaus.

Von Rainer Wagner

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Hannoversche Allgemeine Zeitung

Das Gemüse ist los

Wenn Sie das nächste Mal Ihren Kühlschrank öffnen, seien Sie vorsichtig mit dem Gemüsefach. Denn von dort könnte eine Revolte ausgehen. Wie das aussieht, wenn die Karotten, Radieschen, Zwiebeln, Tomaten und auch noch der Lauch den Aufstand proben und die Macht übernehmen, zeigt die Staatsoper in seiner vergnüglichen Neuproduktion mit dem entsprechenden Titel „König Karotte“. Ein Operettenspaß für alle ganz unabhängig vom Alter, dieses Offenbach-Ratatouille schmeckt Veganern, Vegetariern und ganz harten Opern-Beefeatern.

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DIE PRESSE

„König Karotte“ in der Staatsoper Hannover

Das Gemüse ist los: In der Staatsoper singen Karotten und Prinzen gemeinsam: toller Spaß mit der Operette „König Karotte“.

Wenn Sie das nächste Mal Ihren Kühlschrank öffnen, seien Sie vorsichtig mit dem Gemüsefach. Denn von dort könnte eine Revolte ausgehen.

Wie das aussieht, wenn die Karotten, Radieschen, Zwiebeln, Tomaten und auch noch der Lauch den Aufstand proben und die Macht übernehmen, zeigt die Staatsoper in seiner ziemlich vergnüglichen Neuproduktion mit dem entsprechenden Titel „König Karotte“.

Ein typischer Jacques Offenbach, herrlich schräg mit steiler Story und rasanter Musik.

Zuerst die Story: Da ist Fridolin XXIV., der es mit seinem Regierungsgeschäften nicht allzu genau nimmt, halt ein wenig liederlich ist. Damit er sich wieder um die Sorgen und Nöte seiner Untertanen kümmert, will sein guter Geist Robin in läutern. Da trifft es sich gut, dass die böse Hexe Kalebasse das Gemüse aufwiegelt und einen veganen Umsturz anzettelt.

Eine echte Wiederentdeckung, diese Entdeckung von „Le Roi Carotte“, die Ende des 19. Jahrhunderts Paris begeisterte. Mit König Karotte war Napoleon III. gemeint, typische Herrschaftskritik, die in der Inszenierung ein mild weiterlebt – wenn da König Karotte die Raute macht.

In der Uraufführung war das ein richtig pompöses Ausstattungsstück von sechs Stunden Dauer mit unzähligen Kostümen und Spielorten, die von Paris über ein rauchgeschwängertes Hexenreich und das antike Pompeji hinab in einen Ameisenstaat bis hin zu einem prächtigen Krönungspalast führt.

Und so auch in Hannover in der Regie von Matthias Davids gemacht wird. Allerdings ist die Handlung auf handhabbare drei Stunden (eine Pause) mit deutschen Texten (schöne Neuübersetzung von Jean Abel) gekürzt worden. Aber es scheint nichts zu fehlen – wie auch bei 20 Solisten auf der Bühne.

Die ihre Sache gut machen. Prinz Fridolin (Eric Laporte) ist ein lebenspraller Lebemann. Mit seiner begehrten Kunigunde (Stella Motina) zieht endlich das Selfie in die Operette ein. Wer sich bei ihr an einen Mix aus Lady Gaga und Paris Hilton erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Mit der Hexe Kalebasse (Daniel Drewes) bekommt Offenbachs Gemüseeintopf einen kräftigen Schuss Käfig voller Narren. Ansonsten sind Stützen des Ensembles wie Frank Schneiders als Polizeichef Pipertrunck und Pawel Brozek als Marschel Track dabei.

Das macht alles Spaß, ist ansehnlich. Aber – und deshalb geht die Inszenierung auch nicht ganz auf: Die Story an sich ist durchgeknallter als sie sich auf der Bühne ausgibt, gefühlt wäre da noch mehr möglich.

Der Spaß wird dennoch reichlich serviert und wächst mit Fortschreiten der Geschichte – mit etlichen Lachern zwischendrin. Highlights sind dann der Geschichtsunterricht für die Pompejaner, die ja nicht wissen, was eine Eisenbahn ist und dann vom Prinzen und seinem Gefolge als Mitmach-Polonäse auf die Schiene gesetzt wird. Das ist dann Offenbach, die Melodien, diese rhythmisierte Heiterkeit, die nachklingt – auch wenn man schon nach Hause geht. Was auch am straffen Dirigat von Valtteri Rauhalammi liegt, der die Operetten-Partitur schön funkeln lässt.

Das Bühnenbild (Mathias Fischer-Dieskau) ist prall, hier wird mit Hightech gearbeitet, wenn sich das Ameisenreich in ein grün-neon-laser-gestütztes Wunderwerk verwandelt.Es gibt viel zu sehen, da zieht sogar acht Mann hoch eine Blechbüchsen-Armee ein. Das Gemüse (Kostüme: Susanne Hubrich) ist so detailfreudig gestaltet, dass man den Machtverfall von König Karotte deutlich an seiner schrumpelnden Möhre ablesen kann.

Ein Operettenspaß für alle ganz unabhängig vom Alter, dieses Offenbach-Ratatouille schmeckt Veganern, Vegetariern und ganz harten Opern-Beefeatern.

Von Henning Queren

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Neue Presse

Gemüse an die Macht

Nun gab es in Hannover von dieser Fassung eine viel bejubelte, glänzende deutsche Erstaufführung, die der Musical-Fachmann Matthias Davids verantwortet. Er hat in dem fantasiereichen Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau und dem forschen Dirigenten Valtteri Rauhalammi kongeniale Kollegen für die kurzweilige Aufführung der „opéra-bouffe-féerie“, so der Untertitel des übermütigen Werkes mit dem Text von Victorien Sardou.

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Gemüse an die Macht

Deutsche Erstaufführung von Jacques Offenbach „König Karotte“ in Hannover

Auch in der Welt der Gemüse gibt es Neid, Missgunst und Liebeleien. - Foto: Jörg Landsberg

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Auch in der Welt der Gemüse gibt es Neid, Missgunst und Liebeleien.
 Er hat in dem fantasiereichen Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau und dem forschen Dirigenten Valtteri Rauhalammi kongeniale Kollegen für die kurzweilige Aufführung der „opéra-bouffe-féerie“, so der Untertitel des übermütigen Werkes mit dem Text von Victorien Sardou. Das heißt, er verbindet die Offenbachsche „Opéra Bouffe“ mit der beliebten Gattung „Opéra féerie“. Offenbachs Werke halten dem ganzen hohlen Treiben der Weltstadt Paris einen einzigartigen, von allen Schichten akzeptierten und bejubelten Spiegel vor.

Lustvoll, witzig und riesengroß werden die Tablaus erstellt, wenn Fridolin auf Zeitreise geht: nach Pompei, um den Ring des Salomo zu finden, ins Reich der Ameisen, auf eine Affeninsel. Alles ist unwahrscheinlich und wird von Davids mit einer perfekten Mischung aus Parodie, Wirklichkeit (besonders die Liebesgeschichte mit der sich für Fridolin aufopfernden Rosée), Skurrilität, Absurdität und unerhörter Lust an bühnentechnischen Effekten wie dem Abreißen von Armen und Beinen erzählt. Einer der Höhepunkte: wie die Truppe um Fridolin die Pompejaner von der gerade erst erfundenen Eisenbahn überzeugen will.

 Große Leistungen im Ensemble

Und das Stück bringt, wie alle Bühnenwerke Offenbachs – den Karl Kraus zu recht den „größten Satiriker aller Zeiten“ nannte – eine unfassbare Fülle guter Musik. Es gibt Ensemble-Szenen, die schon nach „Hoffmanns Erzählungen“ klingen – so das Quintett „Der Anblick lässt uns erschauern“ angesichts des rauchenden Vesuvs. Es gibt Lieder, Tänze, großartige Chöre (toll und kraftvoll gesungen) und ungemein einfallsreiche Instrumentierungen wie das Gewusel der Ameisen.

Der gute Offenbach-Interpret muss viel können: Wie ein Schauspieler sprechen, parlandoartig singen und vor allem auch noch richtig singen. Alle Darsteller des Ensembles bewältigten diese Aufgaben fabelhaft. Eric Laporte als Fridolin, Athanasia Zöhrer als Rosée-du-Soir, Mareike Morr als Robin, Stella Morina als Kunigunde und Sung-Keun Park als Karotte seien hier stellvertretend für alle großen Leistungen dieses Abends genannt. Andere Theater werden sich die Wiederentdeckung dieses grandiosen Stückes nicht entgehen lassen.

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Kreiszeitung

Märchenhaftes Ausstattungstheater funktioniert auf einer deutschen Bühne!

Ein großer Coup ist gelungen. Das Publikum war zu Recht aus dem Häuschen! Die vielen kleinen Gags und Witze, die absolut authentische Theatersprache mit „Ihr habt wohl ne Meise“ oder „Das ist voll daneben!“ gelingen hervorragend. Das Gesangsensemble ist ne Wucht! Intendant Michael Klügl hat sich in seiner letzten Saison in Hannover also einen letzten Wunsch mit größtmöglichen Anspruch verwirklichen können.

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DIE STAATSOPER HANNOVER ERÖFFNET DAS JACQUES-OFFENBACH-JAHR MIT KÖNIG KAROTTE. UND ZEIGT, DASS MÄRCHENHAFTES AUSSTATTUNGSTHEATER AUF EINER DEUTSCHEN BÜHNE GLÄNZEND FUNKTIONIERT!

Auch das geht auf das Konto des Pariser Opernspötters Jacques Offenbach! Eine Opéra-Bouffe-Féerique, in der sich eine Möhre zum Tyrannen eines Königreiches aufschwingt. Begleitet von Rettich, Kartoffel und Roter Beete übernimmt er das Regime. Das Riesenspektakel von Theaterschriftsteller Victorien Sardou und Jacques Offenbach bricht bei seiner Aufführung 1872 am Pariser Theatre Gaité alle Rekorde. 200 Personen wimmeln für eine sechsstündige Aufführung in Kostümen, für die drei Kostümbildner über 1000 Kostüme schneidern. Ein Riesenerfolg, der Offenbach in den Ruin treibt, nur wenige Male nachgespielt, dann vergessen und nie ediert wird. In der von Jean-Christophe Keck betreuten kritischen Erstausgabe ist dieses Werks für Boosey & Hawkes/Bote & Bock Berlin 2015 in Lyon über die Bühne gegangen. Mit der Erstaufführung in deutscher Sprache hat die Staatsoper Hannover jetzt das Offenbachjahr 2019 eingeläutet. In der deutschen Neuübersetzung von Jean Abel, die pfiffig vor allem perfekt den Couplets und Rondeaus angepasst und erstaunlich aktuell rübergekommen ist. Ein großer Coup ist gelungen. Das Publikum war zu Recht aus dem Häuschen! (Von Sabine Weber)

Prinz Fridolin (Eric Laporte) wird von König Karotte (Sung-Keun Park) in die Knie gezwungen. Dahinter Chor der Staatsoper Hannover Foto: Jörg Landsberg(04.11.2018 Staatsoper Hannover) Bühnenbildnerin Susanne Hubrich hat mit ihren Barock-Fantasy-Casual-Wear oder verfremdeten Dress-Codes im Vorfeld allerhand zu tun gehabt. Und die Kostümassistenz muss am Abend geschwitzt haben. Sandra Maria Paluch und Rosa Ungerer, die hier mal sofort genannt werden müssen, haben nämlich den Chor immer wieder und rasant schnell neu eingekleidet. In Verbindungsuniformen für ein studentisches Bier-Gelage, für die wankelmütige Hofgesellschaft in verkürzten Stehreifröcken oder Gehrock mit gepuderter Allongé-Perücke. Oder in Toga-umwickelte antike Römer. Dieses fantastische perspektivenverzerrende Theater im Theater, von Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau angedeutet durch verspiegelten Bühnenrahmen mit Prospekten eines Theaterraums sozusagen vis-à-vis zum Publikum dahinter, verändert sich immer wieder. Auch mithilfe von Projektionen. Spektakulär ist der Ameisenhaufen, in dem schwarz bewährte Gestalten mit stroboskopisch leuchtenden Stäben in der Hand durch ein projiziertes Stabgewimmel laufen. Alles wuselt!

Die Geschichte des Prinzen Fridolin durchläuft viele Stadien. Geführt von Robin, der Playmakerin in Hosenrolle, mit präzis und ausdrucksstark geführter Stimme von Mareike Mohr, muss sich der Prinz ähnlich wie Voltaires Candide auf einer Reise läutern und zum guten Herrscher werden. Eric Laporte gibt dabei einen sympathischen Bad Boy mit abstehenden Locken, der sich mit agilem, stets tragendem Tenortimbre mal schlau, mal verliebt, mal reingelegt fühlt. Seine erste Flamme heißt Cunégunde. Stella Motina erscheint als exaltierter Teenie-Popstar mit Rastalocken, Bustier-Minirock und Strapsen, macht Selfies, fragt, ob der Prinz so gut sänge wie Justin Bieber, und schmettert dann selbstbewusst ihre Auftrittsarie. Später ist sie eine der ersten, die Fridolin stehenlässt und zum Wurzeltyrannen überläuft. Die Knollen werden übrigens in einem gespenstisch auskomponierten Melodram von der Hexe Kalebasse unter viel Theaternebel heraufbeschworen. Die Sprechrolle kostet Daniel Drewes im Transenkostüm mit Zigarettenspitze als Zauberstab spöttisch bis leicht überheblich ganz wunderbar aus. Unter krächzendem „Bracatacrois“ – wohl die französische Abrakadabra-Formel – wird das Gemüse auf den Plan gerufen. Die Unterwelt soll sich an denen da oben rächen.

All die Verwicklungen zu erklären, die hier zu- und voneinander wegführen, ist selbst in dieser konzis verdichteten Fassung schlicht unmöglich. Dramaturgin Swantje Köhnecke in Zusammenarbeit mit Dirigent Valtteri Rauhalammi und Regisseur Matthias Davids haben das 140 Seiten lange Libretto jedenfalls auf eine den Handlungsstrang sinnvoll durchführende Länge von weniger als drei Stunden eingedampft. Und es waren, anders als in Lyon, wieder neue Episoden zu erleben. Der Zauberer Quiribiri, den Drewes auch gegeben hat. Oder die Affen-Episode. Eindrucksvoll vor allem ist, mit welcher Leichtigkeit Offenbach die Politik, Diplomaten oder Herrscherprofile auf die Schippe nimmt. Wenn beispielsweise Polizeichef Piepertrunk, mit kölschem bis berlinerischem Akzent, in seinen Couplets du diplomate erklärt, dass das Prinzip gelte, immer für den Stärkeren zu sein. Natürlich gibt es auch hier den bekannten Offenbach-Ton. Das Auftritts-Couplet „Jawohl ich bin König Karotte“ des mit einigen unflätigen Ticks aufwartenden Usurpators ist sogar ein regelrechter Ohrwurm. Märsche, Galopps, witzig das Eisenbahnrondo. Zu erwähnen wäre noch ein ganz exquisites Damenensemble, das um König Karotte wirbt, der aber nur Marmelade schlecken will.

Aber es gibt auch eine andere Seite zu bewundern. Auf das politische Theater haben Offenbach und Sardou noch eine romantische Liebesgeschichte gesetzt. Athanasia Zöhrer verkörpert Rosée-du soir als wahre Geliebte des Prinzen als eine Art Pipi-Langstrumpf-Verschnitt, wobei sie einiges an Koloratur bis zu ihrem Ziel zu bewältigen hat. Außergewöhnlich aber ist das Nocturne im zweiten Akt, ein romantisches vierstimmiges Gesangsquartett, ein Traum! Was immer man „König Karotte“ an politischer Aktualität abgewinnt – in dem sehr informativen Programmheft wird auf aktuelle Karotten-Usurpatoren in Nordkorea, Polen oder Lateinamerika hingewiesen, wobei der amtierende US amerikanische Präsident unter allen Karotten-Königen hervorsteche – die Wiederentdeckung dieses Werks für die deutschen Bühnen ist eingeleitet. Musikalisch wunderbar, bis auf ein paar kleine Wackler zwischen Stimme, Chor und Orchester. Manchmal war es auch des Aerobic-Gehüpfes etwas zu viel. Aber die vielen kleinen Gags und Witze, die absolut authentische Theatersprache mit „Ihr habt wohl ne Meise“ oder „das ist voll daneben!“ gelingen hervorragend. Das Gesangsensemble ist ne Wucht! Intendant Michael Klügl hat sich in seiner letzten Saison in Hannover also einen letzten Wunsch mit größtmöglichen Anspruch verwirklichen können. Als Offenbach-Experte – er ist über ein Offenbach-Thema promoviert worden – dieses Offenbach-Schwergewicht zu stemmen.

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Termine

04. November 2018, 18:30 Uhr
Staatsoper Hannover

11. November 2018, 18:30 Uhr
Staatsoper Hannover

14. November 2018, 19:30 Uhr
Staatsoper Hannover

23. November 2018, 19:30 Uhr
Staatsoper Hannover

01. Dezember 2018, 19:30 Uhr
Staatsoper Hannover

31. Dezember 2018, 19:30 Uhr
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06. Januar 2019, 16:00 Uhr
Staatsoper Hannover

09. März 2019, 19:30 Uhr
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14. März 2019, 19:30 Uhr
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09. April 2019, 19:30 Uhr
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21. Mai 2019, 19:30 Uhr
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21. Juni 2019, 19:30 Uhr
Staatsoper Hannover